fischer180_Robert NickelsbergGetty Images_troops leave afghanistan Robert Nickelsberg/Getty Images

Das traurige Schicksal Afghanistans

BERLIN – Das afghanische Drama nähert sich, zumindest was die militärische Beteiligung des Westens betrifft, seinem baldigen Ende. Zwei Jahrzehnte nach der Terrorattacke von al Qaida auf das World Trade Center in New York City am 11. September 2021 wird die Präsenz westlicher Truppen in Afghanistan ihr Ende finden. Dieser Krieg musste irgendwann enden, er konnte nicht endlos weitergehen. All die Toten, Verletzten, all die Kosten und Zerstörungen werfen aber die Frage auf: War es das wert? Was haben diese zwei Jahrzehnte Krieg gegen die Terroristen von al Qaida und die afghanischen Taliban tatsächlich gebracht?

Das Terrornetzwerk von al Qaida wurde geschwächt, keineswegs aber zerstört. Sein Anführer, Osama bin Laden, konnte durch die USA aufgespürt und getötet werden, die Taliban wurden zwar in Kabul von der Macht vertrieben, sind in der Fläche des Landes aber stärker denn je und werden nach dem Abzug der westlichen Truppen auch wohl in Kabul zurückkehren und die Macht im Lande erneut übernehmen. Der radikale islamistische Terrorismus wurde geschwächt, keineswegs aber besiegt, weder militärisch noch ideologisch. Er bleibt eine anhaltende Gefahr für die westliche Sicherheit. Es war auch in all den Jahren nicht gelungen, stabile Staatsstrukturen in Afghanistan zu errichten mit der Fähigkeit zur erfolgreichen Selbstverteidigung gegen die innere terroristische Bedrohung, Korruption und den Drogenhandel zurückzudrängen und der afghanischen Gesellschaft eine bessere und friedlichere Zukunft zu geben. Auch die regionale Stabilität wird nach dem Abzug des Westens eher prekärer als heute sein.

Man mache sich keine Illusionen. Das westliche Militär zieht mit einer Niederlage ab, deren humanitäre Folgen dramatisch sein werden. Afghanistan wird keine Ruhe finden, für die Afghanen wird der Krieg nicht enden, die Konflikte und Interessen der regionalen Großmächte – Pakistan, Indien, Iran und China – werden ihn am Laufen halten. Die Rückkehr der Taliban an die Macht in Kabul mit ihrem Steinzeitislamismus werden vor allem die Frauen und Mädchen zu bezahlen haben, die erneut unter die Burka gezwungen und ihrer Menschenrechte beraubt werden. Zahllose Angehörige der gebildeten städtischen Schichten werden zu fliehen versuchen, Richtung Westen. Den Zurückbleibenden wird ein schlimmes Schicksal drohen, ebenso wie den Angehörigen ethnischer und religiöser Minderheiten.

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