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Spätsowjetisches Amerika

PRINCETON – Die Sowjetunion war ein Nährboden für politische Witze, die in der dortigen Gesellschaft eine ebenso breite Rolle spielten wie das spätabendliche Comedy-Sendungen in den USA tun. Ein beliebter Witz war, dass ein junger Mann, der auf dem Roten Platz ausrief, der altersschwache Leonid Breschnew sei ein Idiot, zu 25½ Jahren Gefängnis verurteilt wurde – sechs Monaten wegen Beleidigung des sowjetischen Staatsoberhaupts und 25 Jahren wegen Verrats von Staatsgeheimnissen.

Die wütende Reaktion der Trump-Regierung auf ein neues Buch des früheren nationalen Sicherheitsberaters John Bolton folgt einem ähnlichen Drehbuch. Das Bucht gilt nicht so sehr deshalb als gefährlich, weil es Donald Trump beleidigt, sondern weil es zeigt, dass der Präsident zutiefst inkompetent und „erstaunlich schlecht informiert“ ist. Wenn es bisher noch nicht offensichtlich war, so weiß nun die ganze Welt, dass es den USA völlig an einer strategischen Ausrichtung oder in sich schlüssigen Führung durch die Regierung mangelt.

Tatsächlich erinnern viele Aspekte von Amerikas aktuellem annus horribilis an die Endjahre der Sowjetunion, angefangen bei der Verschärfung der sozialen und politischen Konflikte. Im Fall der Sowjetunion kochten lange unterdrückte ethnische Rivalitäten und konkurrierende nationale Aspirationen rasch hoch und drängten das gesamte Land in Richtung Gewalt, Sezession und Zerfall. In den USA hat Trumps Reaktion auf die landesweiten Proteste gegen Rassismus, Polizeigewalt und Ungleichheit die historische Kluft zwischen den Rassen weiter befeuert. Und wie beim Zusammenbruch des Sowjetreichs die Lenin-Statuen werden jetzt fast überall Standbilder führender Konföderierter umgeworfen.

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