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Lehnt die russische Kultur nicht ab

NEW YORK – Bevor er „Die Brüder Karamasow“ oder seine „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“ schrieb, wurde Fjodor Dostojewski von der zaristischen Regierung wegen angeblicher Beteiligung an revolutionären Aktivitäten zum Tode verurteilt, in ein sibirisches Gefangenenlager geschickt und im Exil zum Militärdienst gezwungen. Dennoch schrieb Dostojewski nach seiner Rückkehr aus Europa, wo er jahrelang in Freiheit lebte, in seinem „Tagebuch eines Schriftstellers“ (A Writer’s Diary), dass „jeder“ insgeheim Bosheit gegen die Russen hege, dass die Russen ein Volk von „Mitläufer und Sklaven“ seien.

Angesichts der Tatsache, dass viele, wenn nicht sogar die meisten Kultureinrichtungen sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten russische Künstler und russische Kultur praktisch „gestrichen“ haben, klingen Dostojewskis Worte wahrer denn je. Wie Ian Buruma kürzlich feststellte, denken die Russen jetzt zunehmend, dass der Kreml vielleicht doch recht hatte: Russland ist wirklich eine „belagerte Festung“, die von einem feindseligen Westen für immer missverstanden und unterminiert wird.

Natürlich geht es hier auch irgendwie um die Frage nach der Henne oder dem Ei. Die Ablehnung der russischen Kultur durch den Westen ist eine Reaktion auf die brutale „militärische Sonderoperation“ des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Ukraine. Putin behauptet jedoch, dass diese Operation eine Reaktion auf die Feindseligkeit des Westens war – insbesondere auf die Bemühungen Amerikas, die Ukraine zu einem „Anti-Russland-Land“ zu machen. Dem russischen Botschafter bei den Vereinten Nationen, Wassili Nebensya, zufolge besteht das Ziel nicht darin, die Ukraine, „eine geschätzte und befreundete Nation“, zu beseitigen, sondern sie daran zu hindern, Amerikas „antirussischer Agenda“ zu dienen.

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