chicoma1_ERNESTO BENAVIDESAFP via Getty Images_potato farm peru ERNESTO BENAVIDES/AFP via Getty Images

Ernährungsunsicherheit inmitten des Überflusses

LIMA – Peru ist ein Ernährungsparadoxon. Eines der Länder, das der Welt Kartoffeln, Tomaten und Quinoa bescherte, bewegt sich am Rande einer Ernährungskrise, die sich zu einer der gravierendsten in ganz Lateinamerika auswachsen dürfte. Da bereits die Hälfte der peruanischen Bevölkerung von Ernährungsunsicherheit (definiert als fehlender zuverlässiger Zugang zu ausreichend Nahrung) betroffen ist, haben der aktuell weltweite Mangel an Düngemitteln sowie steigende Energie- und Lebensmittelpreise Proteste und soziale Unruhen ausgelöst.

Schuld daran sind sowohl Russlands Krieg in der Ukraine als auch Perus politische Führung. Die peruanische Regierung agiert mit ihrem mittlerweile fünften Landwirtschaftsminister in weniger als einem Jahr und ist mit schweren Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Sie hat wenig unternommen, um eine Alternative für russische Düngemittel zu finden, obwohl der Anbau der beiden wichtigsten Grundnahrungsmittel des Landes - nämlich Reis und Kartoffel - in hohem Maße davon abhängig ist. Allerdings sind Perus Herausforderungen auch mit Problemen verbunden, die das weltweite Ernährungssystem betreffen. Lösungen erfordern daher multilaterale Maßnahmen.

Obwohl die gegenwärtigen Umstände die Lage noch verschlimmert haben, liegt das peruanische Ernährungssystem bereits seit Jahrzehnten darnieder. Grund dafür sind weltweite und einheimische Kräfte, die eine exportorientierte, industrialisierte Landwirtschaft sowie eine einförmige Ernährungsweise und den Import von Grundnahrungsmitteln forcierten. Im Zuge dieser Entwicklung hat Peru die kleinbäuerliche Landwirtschaft, die Ernährungssicherheit und die Artenvielfalt geopfert. Kleinbäuerliche Betriebe erhalten so gut wie keine staatliche Unterstützung, obwohl der Sektor mehr als 80 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte beschäftigt und für 57 Prozent der gesamten Nahrungsmittelversorgung Perus sorgt. Die meisten Kleinbauern müssen mit einem Teufelskreis aus geringen Kapazitäten, kargen Einkommen und Ernährungsunsicherheit fertig werden.

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