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Die Nullifikationskrise der EU

BERKELEY – Eine jüngste Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat ein tiefes Zerwürfnis in der Eurozone aufgeworfen. In drei Monaten wird es der Bundesbank verboten sein, sich am Programm der Europäischen Zentralbank zum Ankauf von Staatsanleihen (PSPP) zu beteiligen, sofern das BVerfG nicht eine zufriedenstellende Erklärung dafür erhält, dass die Anleihekäufe der EZB eine „verhältnismäßige“ Maßnahme zur Wahrung der Preisstabilität darstellen.

Als hätte die EZB ihr Handeln nicht bereits in zahllosen Veröffentlichungen, Reden von EZB-Ratsmitgliedern und wissenschaftlichen Publikationen ihrer Mitarbeiter erläutert. Das hat den Verfassungsrichtern, die über die mysteriöse Frage, ob die Anleihekäufe der Notenbank eine Form der Fiskalpolitik darstellen, seit langem die Hände ringen, offensichtlich nicht gereicht. Wie jeder Ökonom weiß, hat die Geldpolitik immer fiskalpolitische Auswirkungen, und insoweit als die Notenbanken „unkonventionelle“ Instrumente eingesetzt haben, operieren sie womöglich tatsächlich in einer Grauzone zwischen Geld- und Fiskalpolitik.

Das Problem ist, dass Juristen Grauzonen verabscheuen. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union legt fest, dass die EZB zwar die alleinige Entscheidungsgewalt über die Geldpolitik der EU hat, die Fiskalpolitik jedoch in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. Diese Arbeitsteilung bedeutet, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) über alle die Geldpolitik betreffenden Rechtsfragen entscheiden sollte, während die nationalen Gerichte über fiskalische und sonstige wirtschaftspolitische Fragen befinden. Die Frage ist natürlich, wer beurteilen sollte, ob die EZB ihren geldpolitischen Rechtsauftrag überschritten hat.

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