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Stammeszugehörigkeit im Sport

NEW YORK – Siya Kolisi, der in diesem Monat in Yokohama, Japan, für sein Land den Webb Ellis Cup in die Höhe hob, ist der erste schwarze Kapitän der südafrikanischen Rugby-Union-Nationalmannschaft (den Springboks). Die Sportart wurde früher nur mit weißen Südafrikanern in Verbindung gebracht. Kolisi selbst wurde in einer armen Schwarzensiedlung in der Provinz Ostkap geboren. Jean de Villiers, ein ehemaliger Springboks-Kapitän, bezeichnete den Sieg der Springboks als Erfolg „für das ganze Land“. Doch er war etwas, über das sogar Nicht-Südafrikaner jubeln konnten.

Ein in gewisser Hinsicht sogar noch bemerkenswerteres Phänomen jedoch ist Michael Leitch, der Kapitän der japanischen Mannschaft (den Brave Blossoms). Wochenlang war Leitch, Kind eines neuseeländischen Vaters und einer fidschianischen Mutter, Aushängeschild eines Teams, das eine der am stärksten abgeschotteten und ethnisch homogensten Gesellschaften der Welt repräsentiert. Natürlich ist auch die japanische Bevölkerung alles andere als „reinrassig“ oder monolithisch. Doch für die meisten Japaner sind Ethnizität und Nationalität untrennbar verknüpft. Japaner ist man über das Blut. Leitch, der erstmals als 15-jähriger Schüler nach Japan kam, scheint das Gegenteil zu beweisen. In Japan ist er nun offiziell als Leitch Michael bekannt; d. h., seine Namen werden in japanischer Reihenfolge geschrieben.

Leitch ist nicht der einzige japanische Spieler, der aus dem Ausland stammt. Andere Mitglieder des Teams kommen aus Südafrika, Tonga, Neuseeland und Südkorea. Natürlich wohnt der Porosität von Nationalmannschaften ein Element des Opportunismus inne, und die Regeln beim Rugby sind besonders großzügig. Länder haben es gern, wenn ihre Mannschaft gewinnt, und sie holen sich herausragende Spieler, wo immer sie sie kriegen können. Dieses Konzept reicht weit vor die Zeit internationaler Sportwettkämpfe zurück. Schließlich waren die meisten der Soldaten, die Napoleon für den Herzog von Wellington besiegten, außerhalb der Britischen Inseln geboren. Viele sprachen nicht einmal Englisch.

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