rodrik178_Jason Armond  Los Angeles Times via Getty Images_trump supporters Jason Armond/Los Angeles Times via Getty Images

Vier Jahre Atempause für die Demokraten

CAMBRIDGE – Als sich nach einigen spannenden Tagen ein mühsamer Sieg Joe Bidens bei der US-Präsidentschaftswahl abzeichnete, ließ das viele Beobachter der amerikanischen Demokratie ratlos zurück. Angesichts der Meinungsumfragen hatten viele einen Erdrutschsieg der Demokraten erwartet, bei dem die Partei nicht nur das Weiße Haus, sondern auch den Senat erobern würde. Wie hat es Donald Trump trotz seiner eklatanten Lügen, offensichtlichen Korruption und katastrophalen Handhabung der Pandemie geschafft, sich die Unterstützung so vieler Amerikaner zu bewahren – und sogar mehr Stimmen zu gewinnen als vor vier Jahren?

Die Bedeutung dieser Frage reicht über die amerikanische Politik hinaus. Überall versuchen gemäßigt linke Parteien derzeit, gegen Rechtspopulisten wieder auf die Erfolgsstraße zu gelangen. Obwohl Biden von seinem Temperament her in der politischen Mitte verortet ist, sind die Demokraten programmatisch – zumindest nach amerikanischem Maßstab – deutlich nach links gerückt. Ein klarer Sieg der Demokraten hätte daher der gemäßigten Linken starken moralischen Auftrieb gegeben: Vielleicht würde es für einen Wahlsieg ja doch ausreichen, progressive Wirtschaftspolitik mit einem Festhalten an demokratischen Werten und grundlegendem menschlichen Anstand zu kombinieren.

Die Diskussion, wie die Demokraten mehr hätten erreichen können, hat bereits begonnen. Leider ergeben sich aus ihrem knappen Wahlsieg keine einfachen Lehren. Die amerikanische Politik dreht sich um zwei Achsen: Kultur und Wirtschaft. Zu beiden Themenbereichen finden sich jene, die den Demokraten vorwerfen, zu weit zu gehen, und jene, die ihnen vorwerfen, nicht weit genug zu gehen.

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