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Putins Presseproblem

MOSKAU – In seiner weithin ausgestrahlten jährlichen Pressekonferenz im vergangenen Monat gab sich der russische Präsident Wladimir Putin selbstbewusst und herablassend. Lebhaft wurde er nur, als er die Ukraine für Scharmützel im Schwarzen Meer kritisierte oder auf die „unfairen“ Beschwerden des Westens über Russlands Verhalten schimpfte. Er behauptete, dass Amerikas Rückzug aus dem INF-Vertrag über nukleare Mittelstreckenraketen von 1987 die Entwicklung neuer Waffen durch Russland erforderlich mache, und erklärte höhnisch: „Und sie sollten später nicht jammern, dass wir angeblich versuchen, bestimmte Vorteile zu erlangen.“

Putins präsentierte sich als eine Mischung aus dem sowjetischen Botschafter in Stanley Kubricks „Dr. Strangelove“, der versprach, die „Weltuntergangslücke“ gegenüber dem Westen zu schließen, und Ded Moroz (Väterchen Frost), der die Probleme der Menschen auf wundersame Weise löst. Dies ist für Putin, der in den letzten Jahren vom liebenden Vater bis zum judokämpfenden James Bond in so ziemlich jede Rolle schlüpfte, ein klar verringertes Repertoire. Wichtiger noch: Es war unglaubwürdiger denn je.

Putin gründet seine Autorität auf den direkten Kontakt mit der russischen Gesellschaft. Zu Beginn seiner Präsidentschaft bereiste er alle elf Zeitzonen Russlands und versprach – und lieferte häufig auch – Zuwächse bei den Realeinkommen, Verbesserungen bei der Infrastruktur und eine nationale Erneuerung. Tatsächlich nahm sich die jüngste Pressekonferenz – die 14. ihrer Art – stark wie ein anderer von Putins oft wiederholten öffentlichen Auftritten aus: „Direct Line“, eine Live-Sendung, in der Putin (vorformulierte) Fragen russischer Bürger beantwortet.

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