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Europas moralische Verpflichtung zum Boykott russischer Energie

PRINCETON – Seit Anfang der 2000er Jahre forcieren führende europäische Politiker und Intellektuelle die Idee, dass es beim europäischen Projekt nicht nur um wirtschaftliche Chancen geht. Im Kern, so behaupten sie, geht es um Moral und die Förderung gemeinsamer Werte, was bedeutet, dass Europas weiche Macht effektiver ist als die harte Macht der Vereinigten Staaten.

Unter dem früheren US-Präsidenten Donald Trump, dessen Regierung eine Karikatur des außenpolitischen „Realismus“ darstellte, war es ein leichtes, dieses Argument vorzubringen, welches nun durch den Einmarsch Russlands in der Ukraine in ein scharfes Licht gerückt wurde. Trump verhöhnte die Ukraine als „Verliererland“, während der damalige Außenminister Mike Pompeo gefragt haben soll: „Glauben Sie, die Amerikaner scheren sich einen Dreck um die Ukraine?“

Jetzt hat Europa die Chance, als Reaktion auf eine Krise moralische Führungsstärke zu demonstrieren, seine hochtrabenden Worte mit Taten zu untermauern und zu zeigen, dass die Europäer keine Heuchler sind. Der Krieg in der Ukraine gibt Europa die Möglichkeit festzustellen, worum es ihm wirklich geht. Jetzt, da die Geopolitik neu gestaltet wird, ist ein geeintes Europa notwendiger denn je. Aber wenn Europa sich der Situation gewachsen zeigen will, muss es herausfinden, wie es effektiv handeln kann.

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