GENF – „Black Friday“ ist inzwischen mehr als eine Einkaufsorgie. Von Arbeitnehmervertretern in „Make Amazon Pay Day“ umbenannt, markiert dieser Tag zunehmend eine jährliche Saison des Widerstands. Während Millionen von Verbrauchern in die digitalen Gänge von Amazon strömen, gehen immer mehr Arbeitnehmer und ihre Verbündeten auf die Straße, um sich gegen die Bemühungen des E-Commerce-Riesen zu wehren, die Welt nach seinem Bild umzugestalten.
Unsere Botschaft ist klar: Amazon muss nicht nur für seine gewerkschaftsfeindlichen Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden, sondern auch für die allgemeine Bedrohung, die das Unternehmen für demokratische Werte darstellt. In den USA, wo Donald Trump nun auf dem Weg zurück ins Oval Office ist, hat Amazon-Gründer Jeff Bezos jüngst eine Entscheidung getroffen, die Bände spricht. Indem er die Washington Post – die ihm gehörende Zeitung – hinderte, eine Wahlempfehlung zugunsten von Kamala Harris abzugeben, hat er gezeigt, dass es ihm wichtiger ist, die lukrativen Bundesverträge seines Unternehmens zu sichern, als seinen Einfluss zur Verteidigung der Demokratie zu nutzen.
Bezos behauptet, dass „die Amerikaner den Medien nicht trauen“. Doch seine Entscheidung vertieft dieses Misstrauen nur zusätzlich und festigt die Vorstellung, dass sich selbst angesehene Institutionen an den Meistbietenden verkaufen. Wir wissen jetzt, dass Bezos selbst dann, wenn die Demokratie auf dem Spiel steht, seine finanziellen Interessen an erste Stelle setzen wird.
Diese Missachtung demokratischer Normen macht auch vor den Schaltstellen der Macht nicht halt. Der Internationale Gewerkschaftsbund listet Amazon als eines der weltwichtigsten „Unternehmen, die die Demokratie untergraben“, und verweist dabei auf Amazons Unterstützung rechtsextremer Anliegen, seine wettbewerbsfeindlichen Praktiken und seine Missachtung der Rechte seiner Mitarbeiter. Die Lobbyisten des Unternehmens wurden kürzlich aus dem Europäischen Parlament verbannt, nachdem sie wiederholt nicht zu öffentlichen Anhörungen erschienen waren, und wir wissen inzwischen, dass der Technologie-Gigant die Ausgaben für seine Lobbyarbeit in der EU um Millionen Euro zu niedrig angegeben hat. Das Muster des Missbrauchs erstreckt sich auch auf Amazons Lagerhäuser; dort hat das Unternehmen 14 Millionen Dollar für Bemühungen ausgegeben, die Arbeitnehmer daran zu hindern, sich gewerkschaftlich zu organisieren.
Dies ist bei Amazon weltweite Praxis. Laut einem Sprecher der kanadischen Gewerkschaft UNIFOR unterscheidet „das schiere Ausmaß der dreisten Versuche [Amazons], Mitarbeiter einzuschüchtern“, die gewerkschaftsfeindlichen Bemühungen des Unternehmens von denen anderer Arbeitgeber. In Deutschland müht sich die Gewerkschaft ver.di seit zehn Jahren, Amazon zur Anerkennung der Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels zu bewegen. In Großbritannien sehen sich die Beschäftigten in Coventry intensivem gewerkschaftsfeindlichen Druck ausgesetzt, wobei die Gewerkschaft GMB die Einmischung von Amazon als „außer Kontrolle“ bezeichnete. Und in Alabama erklärten die Bundesbehörden eine Abstimmung der Amazon-Beschäftigten gegen eine gewerkschaftliche Organisierung mit der Begründung für ungültig, sie seien einer Desinformations- und Einschüchterungskampagne ausgesetzt gewesen.
Statt bestehende schwerwiegende Probleme anzugehen und das Recht der Beschäftigten auf Tarifverhandlungen zu respektieren, versucht Amazon, die Arbeitsschutzgesetze im Allgemeinen zu untergraben. Als Reaktion auf eine Kampagne der Teamster-Gewerkschaft zur Werbung von Mitgliedern argumentiert das Unternehmen vor Gericht, dass gewerkschaftsfeindliche Maßnahmen durch die Verfassung geschützt seien. Es stellt zudem die Verfassungsmäßigkeit des National Labor Relations Board in Frage, das seit fast 90 Jahren die Einhaltung der US-Arbeitsgesetze überwacht.
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Diese kühnen Bemühungen sind nicht bloß juristische Manöver. Sie sind ein Angriff auf die grundlegenden Rechte der Arbeitnehmer, sich zu organisieren, Tarifverhandlungen mit ihren Arbeitgebern zu führen und für sicherere, fairere Arbeitsplätze zu kämpfen. Wenn Amazons Strategie erfolgreich ist, wird sie als weltweit anwendbares Drehbuch für den Angriff des Unternehmens auf die Gewerkschaften dienen.
Amazons Feindseligkeit gegenüber den Gewerkschaften ist in der DNA des Unternehmens angelegt. Amazon hat schon immer eine obsessive Kontrolle über seine Belegschaft ausgeübt und seinen politischen Einfluss geltend gemacht, um den Arbeitsschutz für alle zu schwächen. Sein milliardenschwerer Bargeldschatz ermöglicht es dem Unternehmen, die Politik auf allen Ebenen zu beeinflussen und effektiv eine politische Ökonomie von, durch und für Unternehmensgiganten – und nicht die Menschen – zu etablieren.
Arbeitnehmer weltweit haben sich organisiert, um sich gegen diesen Missbrauch der Unternehmensmacht zu wehren, und täglich schließen sich weitere Amazon-Lagerarbeiter und -Fahrer dem Kampf an. In Indien organisieren sie sich gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen bei extremer Hitze und werden dabei von der Amazon India Workers Association und dem Gewerkschaftsverband UNI Global Union unterstützt. Dies hat dazu geführt, dass Amazon Management- und Sicherheitsversäumnisse beheben musste. In ähnlicher Weise fordern die Beschäftigten von Amazon Web Services in Belgien und in der europäischen Amazon-Zentrale in Luxemburg eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Sicherheit am Arbeitsplatz, und die europäischen Regulierungsbehörden nehmen die Sicherheitspraktiken des Unternehmens unter die Lupe.
In Großbritannien debattiert das Parlament derzeit ein Gesetz über Arbeitnehmerrechte, das unter anderem die Anerkennung von Gewerkschaften erleichtern und Repressalien gegen Gewerkschaftsführer erschweren würde. Und in den USA haben mehrere Bundesstaaten –Kalifornien, Minnesota, Oregon, Washington und New York – Gesetze zum Schutz der Beschäftigten von Lagerhäusern verabschiedet, die direkt auf die brutalen Produktivitätsvorgaben von Amazon abzielen.
Derartige regulatorische Maßnahmen sind wichtig. Doch ohne starke Gewerkschaften, die die bestehenden Schutzbestimmungen durchsetzen und eine Wächterrolle übernehmen, wird Amazons Kontrollmodell fortbestehen. Während die Amazon-Beschäftigten Black Friday nutzen, um eine faire Behandlung einzufordern, sollten wir uns bewusst machen, was für die Demokratie selbst auf dem Spiel steht. Wenn Amazons unkontrollierte Macht und Taktiken zur Norm werden, wird das eine Welt einläuten, in der die Interessen multinationaler Konzerne Vorrang vor unseren Rechten und Freiheiten haben – und vor den Institutionen, die diese schützen sollen.
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Bashar al-Assad’s fall from power has created an opportunity for the political and economic reconstruction of a key Arab state. But the record of efforts to stabilize post-conflict societies in the Middle East is littered with failure, and the next few months will most likely determine Syria's political trajectory.
say that Syrians themselves must do the hard work, but multilateral assistance has an important role to play.
The US president-elect has vowed to round up illegal immigrants and raise tariffs, but he will probably fail to reinvigorate the economy for the masses, who will watch the rich get richer on crypto and AI. America has been here before, and if Trump doesn’t turn on the business class and lay the blame at its feet, someone else will.
thinks the next president will be forced to choose between big business and the forgotten man.
GENF – „Black Friday“ ist inzwischen mehr als eine Einkaufsorgie. Von Arbeitnehmervertretern in „Make Amazon Pay Day“ umbenannt, markiert dieser Tag zunehmend eine jährliche Saison des Widerstands. Während Millionen von Verbrauchern in die digitalen Gänge von Amazon strömen, gehen immer mehr Arbeitnehmer und ihre Verbündeten auf die Straße, um sich gegen die Bemühungen des E-Commerce-Riesen zu wehren, die Welt nach seinem Bild umzugestalten.
Unsere Botschaft ist klar: Amazon muss nicht nur für seine gewerkschaftsfeindlichen Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden, sondern auch für die allgemeine Bedrohung, die das Unternehmen für demokratische Werte darstellt. In den USA, wo Donald Trump nun auf dem Weg zurück ins Oval Office ist, hat Amazon-Gründer Jeff Bezos jüngst eine Entscheidung getroffen, die Bände spricht. Indem er die Washington Post – die ihm gehörende Zeitung – hinderte, eine Wahlempfehlung zugunsten von Kamala Harris abzugeben, hat er gezeigt, dass es ihm wichtiger ist, die lukrativen Bundesverträge seines Unternehmens zu sichern, als seinen Einfluss zur Verteidigung der Demokratie zu nutzen.
Bezos behauptet, dass „die Amerikaner den Medien nicht trauen“. Doch seine Entscheidung vertieft dieses Misstrauen nur zusätzlich und festigt die Vorstellung, dass sich selbst angesehene Institutionen an den Meistbietenden verkaufen. Wir wissen jetzt, dass Bezos selbst dann, wenn die Demokratie auf dem Spiel steht, seine finanziellen Interessen an erste Stelle setzen wird.
Diese Missachtung demokratischer Normen macht auch vor den Schaltstellen der Macht nicht halt. Der Internationale Gewerkschaftsbund listet Amazon als eines der weltwichtigsten „Unternehmen, die die Demokratie untergraben“, und verweist dabei auf Amazons Unterstützung rechtsextremer Anliegen, seine wettbewerbsfeindlichen Praktiken und seine Missachtung der Rechte seiner Mitarbeiter. Die Lobbyisten des Unternehmens wurden kürzlich aus dem Europäischen Parlament verbannt, nachdem sie wiederholt nicht zu öffentlichen Anhörungen erschienen waren, und wir wissen inzwischen, dass der Technologie-Gigant die Ausgaben für seine Lobbyarbeit in der EU um Millionen Euro zu niedrig angegeben hat. Das Muster des Missbrauchs erstreckt sich auch auf Amazons Lagerhäuser; dort hat das Unternehmen 14 Millionen Dollar für Bemühungen ausgegeben, die Arbeitnehmer daran zu hindern, sich gewerkschaftlich zu organisieren.
Dies ist bei Amazon weltweite Praxis. Laut einem Sprecher der kanadischen Gewerkschaft UNIFOR unterscheidet „das schiere Ausmaß der dreisten Versuche [Amazons], Mitarbeiter einzuschüchtern“, die gewerkschaftsfeindlichen Bemühungen des Unternehmens von denen anderer Arbeitgeber. In Deutschland müht sich die Gewerkschaft ver.di seit zehn Jahren, Amazon zur Anerkennung der Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels zu bewegen. In Großbritannien sehen sich die Beschäftigten in Coventry intensivem gewerkschaftsfeindlichen Druck ausgesetzt, wobei die Gewerkschaft GMB die Einmischung von Amazon als „außer Kontrolle“ bezeichnete. Und in Alabama erklärten die Bundesbehörden eine Abstimmung der Amazon-Beschäftigten gegen eine gewerkschaftliche Organisierung mit der Begründung für ungültig, sie seien einer Desinformations- und Einschüchterungskampagne ausgesetzt gewesen.
Statt bestehende schwerwiegende Probleme anzugehen und das Recht der Beschäftigten auf Tarifverhandlungen zu respektieren, versucht Amazon, die Arbeitsschutzgesetze im Allgemeinen zu untergraben. Als Reaktion auf eine Kampagne der Teamster-Gewerkschaft zur Werbung von Mitgliedern argumentiert das Unternehmen vor Gericht, dass gewerkschaftsfeindliche Maßnahmen durch die Verfassung geschützt seien. Es stellt zudem die Verfassungsmäßigkeit des National Labor Relations Board in Frage, das seit fast 90 Jahren die Einhaltung der US-Arbeitsgesetze überwacht.
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Diese kühnen Bemühungen sind nicht bloß juristische Manöver. Sie sind ein Angriff auf die grundlegenden Rechte der Arbeitnehmer, sich zu organisieren, Tarifverhandlungen mit ihren Arbeitgebern zu führen und für sicherere, fairere Arbeitsplätze zu kämpfen. Wenn Amazons Strategie erfolgreich ist, wird sie als weltweit anwendbares Drehbuch für den Angriff des Unternehmens auf die Gewerkschaften dienen.
Amazons Feindseligkeit gegenüber den Gewerkschaften ist in der DNA des Unternehmens angelegt. Amazon hat schon immer eine obsessive Kontrolle über seine Belegschaft ausgeübt und seinen politischen Einfluss geltend gemacht, um den Arbeitsschutz für alle zu schwächen. Sein milliardenschwerer Bargeldschatz ermöglicht es dem Unternehmen, die Politik auf allen Ebenen zu beeinflussen und effektiv eine politische Ökonomie von, durch und für Unternehmensgiganten – und nicht die Menschen – zu etablieren.
Arbeitnehmer weltweit haben sich organisiert, um sich gegen diesen Missbrauch der Unternehmensmacht zu wehren, und täglich schließen sich weitere Amazon-Lagerarbeiter und -Fahrer dem Kampf an. In Indien organisieren sie sich gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen bei extremer Hitze und werden dabei von der Amazon India Workers Association und dem Gewerkschaftsverband UNI Global Union unterstützt. Dies hat dazu geführt, dass Amazon Management- und Sicherheitsversäumnisse beheben musste. In ähnlicher Weise fordern die Beschäftigten von Amazon Web Services in Belgien und in der europäischen Amazon-Zentrale in Luxemburg eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Sicherheit am Arbeitsplatz, und die europäischen Regulierungsbehörden nehmen die Sicherheitspraktiken des Unternehmens unter die Lupe.
In Großbritannien debattiert das Parlament derzeit ein Gesetz über Arbeitnehmerrechte, das unter anderem die Anerkennung von Gewerkschaften erleichtern und Repressalien gegen Gewerkschaftsführer erschweren würde. Und in den USA haben mehrere Bundesstaaten –Kalifornien, Minnesota, Oregon, Washington und New York – Gesetze zum Schutz der Beschäftigten von Lagerhäusern verabschiedet, die direkt auf die brutalen Produktivitätsvorgaben von Amazon abzielen.
Derartige regulatorische Maßnahmen sind wichtig. Doch ohne starke Gewerkschaften, die die bestehenden Schutzbestimmungen durchsetzen und eine Wächterrolle übernehmen, wird Amazons Kontrollmodell fortbestehen. Während die Amazon-Beschäftigten Black Friday nutzen, um eine faire Behandlung einzufordern, sollten wir uns bewusst machen, was für die Demokratie selbst auf dem Spiel steht. Wenn Amazons unkontrollierte Macht und Taktiken zur Norm werden, wird das eine Welt einläuten, in der die Interessen multinationaler Konzerne Vorrang vor unseren Rechten und Freiheiten haben – und vor den Institutionen, die diese schützen sollen.
Aus dem Englischen von Jan Doolan