bitcoin value declines Chesnot/Getty Images

Die große Blockchain-Lüge

NEW YORK – Mit dem Absturz des Bitcoin-Wertes um rund 70% seit seinem Höchststand Ende letzten Jahres ist nun die Mutter aller Blasen geplatzt. Allgemein erleben die Kryptowährungen inzwischen eine nicht besonders kryptische Apokalypse. Der Wert führender Coins wie Ether, EOS, Litecoin und XRP ist jeweils um über 80% gefallen, tausende anderer digitaler Währungen sind um 90-99% abgestürzt, und die restlichen wurde als unverhohlene Betrüger entlarvt. Das sollte niemanden überraschen: Vier von fünf Initial Coin Offerings (ICOs) waren von Anfang an Betrügereien.

Angesichts des öffentlichen blutigen Spektakels an den Märkten haben sich die Propagandisten dieser Währungen auf die letzte Zuflucht des Kryptoschurken zurückgezogen: eine Verteidigung von „Blockchain“, der Distributed-Ledger-Software, die allen Kryptowährungen zugrundeliegt. Blockchain wurde als potenzielles Allheilmittel für alles von Armut und Hunger bis hin zum Krebs bejubelt. Tatsächlich ist es die am stärksten hochgejubelte – und am wenigsten nützlichste – Technologie in der menschlichen Geschichte.

In Wahrheit ist Blockchain nicht mehr als ein glorifiziertes Datenblatt. Aber es hat sich zugleich zu einem Schlagwort für eine liberalistische Ideologie entwickelt, die alle Regierungen, Notenbanken, traditionellen Finanzinstitute und realweltlichen Währungen als unmoralische Machtkonzentrationen behandelt, die es zu vernichten gilt. Die ideale Welt der Blockchain-Fundamentalisten ist eine, in der die gesamte Wirtschaftsaktivität und sämtliche menschliche Interaktion einer anarchistischen oder liberalistischen Dezentralisierung unterliegen. Sie hätten es gern, dass das gesamte gesellschaftliche und politische Leben auf Public Ledgers endet, die angeblich „permissionless“ (allgemein zugänglich) und „trustless“ (nicht auf einen glaubwürdigen Intermediär wie etwa eine Bank angewiesen) sind.

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