ghosh72_Celal GunesAnadolu Agency via Getty Images)_imf Celal Gunes/Anadolu Agency via Getty Images)

Sonderziehungsrechte sind die reiche unerschlossene Quelle der Klimafinanzierung

NEU-DELHI – Anlässlich der UN-Klimakonferenz (COP28) in Dubai kann man sich durchaus fragen, was diese großen, teuren und klimaschädlichen internationalen Gipfeltreffen eigentlich sollen. Wird nur wieder zynisch ein sinnloses Spektakel abgehalten, oder kann man diese Treffen als echte Foren nutzen, auf denen die revolutionären Veränderungen angestoßen werden, die nötig sind, um die schlimmsten Folgen der Klimakrise abzuwenden?

Wenn ja, dürfen sich die Staats- und Regierungschefs aber nicht mehr über den Wortlaut nationaler politischer Selbstverpflichtungen streiten, die erst in ferner Zukunft greifen, wenn sie selbst schon lange nicht mehr im Amt sind. Sie müssen konkrete Maßnahmen beschließen, die schnell Finanzmittel für Klimaschutzprojekte in den Entwicklungsländern freigeben.

Angesichts der Tatsache, dass die armen Länder der Welt immer noch auf die relativ bescheidenen Klimafinanzmittel warten, die ihnen vor mehr als zehn Jahren versprochen wurden, klingt das vielleicht illusorisch. Aber selbst innerhalb des aktuellen institutionellen Rahmens der globalen Wirtschaft gibt es praktikable und kostengünstige Möglichkeiten, die Klimafinanzierung auszubauen. Ein herausragendes Beispiel hierfür sind die Sonderziehungsrechte (SZR), also die Reserveguthaben des Internationalen Währungsfonds.

Wie ich schon früher argumentiert habe, könnten SZR genutzt werden, um in Entwicklungsländern Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung zu finanzieren. Der IWF hat am August 2021 Sonderziehungsrechte in Höhe von 650 Mrd. US-Dollar ausgegeben, die Länder mit niedrigem Einkommen in der Coronakrise über Wasser gehalten haben. Diese SZR wurden jedoch gemäß den Länderquoten des IWF verteilt, die vor allem vom jeweiligen BIP abhängen. Dementsprechend gingen nur etwas mehr als 200 Mrd. US-Dollar an Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Trotzdem waren die SZR dort eine unverzichtbare Quelle für Währungsreserven.

Reiche Länder, in denen die zugewiesenen SZR in Höhe von 400 Mrd. US-Dollar nicht gebraucht wurden, hätten diese Mittel in Klimafonds oder regionale Entwicklungsbanken umleiten sollen. Leider – und unbegreiflicherweise – taten sie das nicht. Aber selbst, wenn sie es getan hätten, hätte die Umlenkung von Mitteln in dieser Form die Schuldenlast der Entwicklungsländer erhöht.

Sonderziehungsrechte sind keine Währung, sondern der potenzielle Anspruch auf eine Währung. Sie dienen als Buchungseinheiten innerhalb des IWF und verursachen keine Emissionskosten. Werden sie ausschließlich als Reservewährung genutzt, gelten sie nicht als Kredite des IWF und müssen demnach auch nicht zurückgezahlt werden. Erst wenn Länder einen Teil ihrer SZR-Bestände in harte Währung umwandeln, müssen sie den jährlichen Zinssatz für kurzfristige Anleihen in den fünf Währungen zahlen, die den SZR zugrunde liegen: US-Dollar, Euro, Yen, Renminbi und Britisches Pfund. Der liegt bei 4 1 % und ist damit wesentlich niedriger als die Zinssätze, die Niedrigeinkommensländer üblicherweise von multilateralen Entwicklungsbanken bekommen.

Secure your copy of PS Quarterly: The Climate Crucible
PS_Quarterly_Q3-24_1333x1000_No-Text

Secure your copy of PS Quarterly: The Climate Crucible

The newest issue of our magazine, PS Quarterly: The Climate Crucible, is here. To gain digital access to all of the magazine’s content, and receive your print copy, subscribe to PS Premium now.

Subscribe Now

Die Emission von Sonderziehungsrechten ist eine relativ billige und praktische Möglichkeit, hoch verschuldeten Staaten Währungsreserven zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund habe ich gemeinsam mit 140 anderen Experten und Organisationen einen Brief unterzeichnet, der den auf der COP28 versammelten Staats- und Regierungschefs verdeutlicht, wie dringend viele Länder neue und bereits emittierte Sonderziehungsrechte bräuchten, um ihre Klimaziele und die Ziele für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zu erreichen.

Die Ausgabe neuer Sonderziehungsrechte würde Ländern mit einer problematischen Zahlungsbilanz sofort Erleichterung verschaffen, insbesondere solchen Ländern, die neben einer Schuldenkrise auch noch mit den Folgen der Klimakrise zu kämpfen haben. Die regelmäßige Emission neuer SZR parallel zum globalen BIP-Wachstum würde den Entwicklungsländern außerdem die fiskal- und währungspolitische Flexibilität verschaffen, die sie brauchen, um in Entwicklungs- und Klimaschutzinitiativen investieren zu können.

Dazu müssen wir jedoch zunächst das Verfahren zur Verteilung von Sonderziehungsrechten ändern. Da SZR derzeit auf den Quoten des IWF basieren, gehen sie unverhältnismäßig stark an reiche Länder, die die globalen Reservewährungen kontrollieren. Die brauchen aber schlicht keine SZR und werden sie wahrscheinlich nie nutzen. Um dieses System gerechter zu machen, skizziert das hochrangige Beratergremium für erfolgreichen Multilateralismus (dem ich angehöre) in seinem aktuellen Bericht mehrere Reformen, die gewährleisten würden, dass von neuen Emissionen vor allem Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen profitieren.

Eine Möglichkeit wäre, ärmeren Ländern das Doppelte oder Dreifache ihrer IWF-Quoten zur Verfügung zu stellen. Dieser Ansatz wäre zweifelsohne effizienter und nützlicher als das bisherige Verfahren und würde dafür sorgen, dass ein größerer Anteil der internationalen Geldmenge tatsächlich arbeitet. Allerdings berücksichtigt er nicht die spezifischen Probleme und Bedürfnisse jedes einzelnen Landes.

Zu diesem Zweck könnte der IWF gezielte Zuweisungen einführen, deren Auswahlkriterien vor allem die Gefährdung durch den Klimawandel, Schocks in den Handelsbedingungen, Zinsschwankungen, Kapitalflussvolatilität und andere externe Kräfte berücksichtigen, die außerhalb der Kontrolle der betroffenen Länder liegen. Zugegebenermaßen müsste dazu die Satzung des Internationalen Währungsfonds geändert werden. Das ist jedoch kein unüberwindliches Hindernis, besonders dann, wenn die wichtigsten Anteilseigner der Organisation wie die G7-Ländern eine entsprechende Reform unterstützen. Komischerweise haben die reichen Länder dies noch nicht in Betracht gezogen, obwohl diese Option sie selbst nichts kosten würde.

Wenn die G7 und andere reiche Länder wenigsten etwas moralische Legitimität zurückgewinnen wollen, sollten sie außerdem zunächst ihre SZR an Länder mit niedrigerem Einkommen weitergeben. Dabei darf diese Übertragung weder an Auflagen gebunden sein, noch die Schuldenlast der Entwicklungsländer vergrößern.

Es wird immer deutlicher, dass zielgerichtete Fonds, wie der „Resilience and Sustainability Trust“(RST) nicht besonders gut funktionieren. Der RST hat von den vorgesehenen 50 Mrd. US-Dollar bisher weniger als 30 Mrd. US-Dollar eingebracht und davon erst einen kleinen Teil ausbezahlt. Verzögerungen, fragwürdige Kriterien für die Auswahl von Empfängern und die Auflagen, an die die Kredite geknüpft sind, haben die Sache nicht besser gemacht. Wir könnten problemlos einfachere und bessere Mechanismen für die Umlenkung von Sonderziehungsrechten entwickeln, bei denen nur die Zahlung der SZR-Zinssätze gefordert wird.

Ich bin erstaunt, dass eine so einfache, schmerzlose und praktisch kostenfreie Lösung so wenige Fürsprecher hat. Statt weiterhin fruchtlos über die „Mischung“ öffentlicher und privater Mittel zu sprechen – eine Strategie, mit der die versprochenen Billionen US-Dollar zur Klimafinanzierung zumindest bisher auf sich warten lassen – sollten die G7 sich eine leichtere Aufgabe wählen und die Emission von Sonderziehungsrechten reformieren. Damit würden sie den Kampf gegen den Klimawandel voranbringen und die globale Wirtschaft gerechter und nachhaltiger machen.

https://prosyn.org/xFb537Yde