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Der unheilige Chor der Kryptobranche

LONDON – Während eines besonders langweiligen Zoom-Meetings döste ich vor dem Bildschirm vor mich hin, als mich eine Aussage von unverschämter Frechheit aufweckte: „Trumps Wahl ist ein wahrgewordener Traum“, sagte der Crypto Captain zu uns und sein Gesicht glühte vor Freude. Ich hätte nicht überrascht sein sollen: Er saß auf einem großen Haufen Bitcoin, dessen Wert um fast 40 % gestiegen war, seit Donald Trump Kamala Harris geschlagen hatte.

Noch erfreuter als dieser Kryptobaron war Marc Andreessen, der führende Risikokapitalgeber im Silicon Valley und ein besonders lautstarker Kryptobefürworter. Da die Politik der Biden-Regierung auf eine „Repression“ hinauslaufe, fühle sich Trumps Sieg für ihn an, „als sei [ihm] ein Stiefel von der Kehle [genommen worden] ... Jeden Morgen wache ich glücklicher auf als am Tag zuvor.“

Diese Kryptobosse würden vehement bestreiten, dass sie nur ihr eigenes Produkt schönreden. Der Traum, der sich hier verwirkliche – die Befreiung der Kryptobranche von den Fesseln übermäßiger Regulierung –, werde der Menschheit eine bessere Zukunft eröffnen. Das klingt großartig, sieht man davon ab, dass die Regulierung von Kryptowährungen irgendwo zwischen gering und nicht existent dahindümpelt und die Kapitäne der Kryptobranche uns bisher nicht gesagt haben, was die massiven Vorteile sind, die uns erwarten.

In der Tat sind selbst kleine Vorteile nirgends in Sicht. Bitcoin gibt es seit 16 Jahren, und noch immer kann man damit keine Tasse Kaffee kaufen, geschweige denn online einkaufen gehen. Die Behauptung, dass Kryptowährungen Fiat-Währungen ersetzen werden, erscheint zunehmend unglaubwürdig, aber das hat ihre Befürworter nicht davon abgehalten, andere Versprechungen zu machen.

Eine modische Vorhersage lautet, dass Bitcoin in einer zunehmend turbulenten Welt so etwas wie digitales Gold sein wird: ein sicherer Wertspeicher. Aber wenn das der Traum ist, dann ist er ziemlich langweilig. Gold gibt es schon ewig, und doch wird nur ein winziger Teil der Ersparnisse der Menschheit in Goldbarren gehalten. Ein Grund dafür ist, dass der Goldpreis volatil ist – wenn auch nicht annähernd so volatil wie der Bitcoin-Kurs, der mit schöner Regelmäßigkeit alle paar Jahre abstürzt.

Das andere trendige Argument ist, dass Kryptowährungen Zahlungen und Geldüberweisungen deutlich verbilligen werden. Da haben die Kryptobosse nicht ganz unrecht: Meine traditionelle New Yorker Geschäftsbank verlangt jedes Mal 30 Dollar, wenn ich Geld nach Übersee überweise. Aber um diese fetten Gebühren zu senken, braucht es keine Kryptowährungen oder Blockchain-Paraphernalien. Die Konkurrenz durch Online-Banken und agile Fintech-Unternehmen sorgt bereits dafür.

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Krypto ist also immer noch eine Lösung auf der Suche nach einem Problem. Neu ist lediglich der Chor der Betrüger, Demagogen, Diktatoren und Schwindler, die uns vom Gegenteil überzeugen wollen.

Diese Betrüger erzählen uns, dass es bei Kryptowährungen um das eine geht, während es in Wirklichkeit um etwas ganz anderes geht. Angeblich sollen Kryptowährungen unsere Abhängigkeit von den bösen Regierungen verringern, deren Währungen sie schließlich ersetzen würden. Stattdessen ist die Branche zum größten Beeinflusser der Regierung geworden: Fast die Hälfte aller Unternehmensspenden bei den US-Präsidentschaftswahlen entfielen auf Spender aus der Kryptobranche, wobei der kryptofreundliche Super-PAC Fairshake mehr als 200 Millionen Dollar spendete.

Angeblich sollten Kryptowährungen auch die Banken überflüssig machen. Aber das ist nicht geschehen, so dass Kryptounternehmen, wie alle anderen auch, Bankkonten benötigen, um ihre Geschäfte zu tätigen. Die Kryptobosse jammern jetzt über das „Debanking“ – eine neumodische Bezeichnung für den völlig vernünftigen (und gesetzlich vorgeschriebenen) Grundsatz der Geschäftsbanken, Firmen mit möglichen Verbindungen zu Geldwäsche oder anderen illegalen Aktivitäten Konten zu verweigern.

Diese Demagogen machen Versprechungen, die nicht zu halten sind. Laut Elon Musk, einem weiteren Kryptoförderer, wird sein Department of Government Efficiency (DOGE) den US-Haushalt um „mindestens zwei Billionen Dollar“ entlasten. Allerdings entfallen 88 % aller US-Bundesausgaben auf gesetzliche Ansprüche, Zinszahlungen und Verteidigung. Der Harvard-Professor Jeffrey Frankel hat darauf hingewiesen, dass selbst, wenn Musk alle diskretionären Ausgaben außerhalb des Verteidigungssektors streichen würde, die resultierenden Einsparungen nicht annähernd zwei Billionen Dollar betragen würden, so dass die ganze Sache ein „bloßes Hirngespinst“ sei.

An der Spitze der Diktatorenriege des Chors steht Nayib Bukele aus El Salvador, der zwar demokratisch gewählt wurde, aber die lästigen verfassungsmäßigen Kontrollmechanismen schon lange nicht mehr beachtet. Human Rights Watch berichtet, dass seine Regierung „etwa 3000 Kinder“ inhaftiert hat, von denen viele „schweren Misshandlungen ausgesetzt waren, die in einigen Fällen der Folter gleichkamen“ und „unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten wurden, wobei ihnen angemessene Nahrung, medizinische Versorgung und familiäre Kontakte versagt wurden“. Die Kryptobosse lieben Bukele trotzdem, weil er Bitcoin 2021 in El Salvador zum gesetzlichen Zahlungsmittel gemacht hat.

Es spielt keine Rolle, dass Bukeles Bitcoin-Experiment ein völliger Fehlschlag war. Seine Regierung verschenkte an jeden, der sich anmeldete, ein E-Wallet mit Bitcoin im Wert von 30 Dollar, aber die meisten, die sich anmeldeten, tauschten die Kryptowährung sofort in Dollar um. Eine viel gehypte auf Bitcoin lautende „Vulkananleihe“ wurde nie ausgegeben. Und nun hat der Internationale Währungsfonds im Gegenzug für ein Notdarlehen in Höhe von 1,4 Milliarden Dollar zur Rettung der bankrotten salvadorianischen Wirtschaft verlangt, dass Bukele die lokalen Unternehmen nicht mehr zwingt, Bitcoin zu akzeptieren.

Steuerhinterzieher und Geldwäscher sind unter den Nutzern von Kryptowährungen nach wie vor weit verbreitet, was kaum überrascht: Es handelt sich um eine Technologie, bei der keine Fragen gestellt werden. Betrachten Sie Stablecoins: Kryptowährungen, die (angeblich) durch liquide Dollarwerte abgesichert sind. Warum sollte man statt echter Dollars eine hybride Version des Greenbacks halten wollen? Weil Sie bei der Eröffnung eines Dollarkontos in einer Bank Fragen darüber beantworten müssen, woher das Geld stammt. Diese Unannehmlichkeit lässt sich vermeiden, wenn man, wie die Teilnehmer eines kürzlich von den britischen Behörden aufgedeckten riesigen Komplotts, der es Drogenhändlern und russischen Spionen ermöglichte, Gelder zu waschen, ein Wallet auf einer öffentlichen Blockchain eröffnet und mit Stablecoin füllt.

Betrüger, Demagogen, Diktatoren und Betrüger haben eines gemeinsam: Sie alle geben sich als Libertäre aus. Jede Einschränkung ihrer Aktivitäten, so schreien sie, sei ein Angriff auf die menschliche Freiheit. Mit solchen Freunden braucht die Freiheit keine Feinde.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

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