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Warum neue EU-Schulden unverantwortlich sind

MÜNCHEN – Der für die Wirtschaft zuständige EU-Kommissar Paolo Gentiloni braucht Geld, viel Geld. Und da er das Geld nicht direkt von den EU-Ländern bekommt, will er sich verschulden. Wofür, das scheint fast schon egal zu sein.  Hauptsache das Geld fließt. 2020 spielte er eine entscheidende Rolle beim Beschluss über den Next Generation EU Fonds, mit dem zur Bekämpfung der Corona-Folgen eine Schuldenaufnahme von über 800 Milliarden Euro ermöglicht wurde. Im Mai 2022 wollte er Kredite aufnehmen, um die Hilfen für die Ukraine zu finanzieren. Im Oktober 2022 wollte er, dass die EU sich verschuldet, um die Gaskäufe der Bürger Europa zu finanzieren. Und nun fordert er neue EU Schulden, um einen Subventionswettlauf mit den USA zu bestehen, die selbst freilich für die geplanten Subventionen neue Abgaben beschlossen haben (Inflation Reduction Act).

Tatsächlich scheinen die plakativen Begründungen nur ein Vorwand zu sein, um an mehr Geld zu kommen. So wurden die Corona-Mittel im Zuge des NG-EU-Fonds unter den Bürgern Europas nach einer Methode verteilt, die keinerlei Korrelation mit der Schwere der Pandemie, wohl aber eine negative Korrelation mit dem BIP pro Kopf aufweist. Auffällig viel bekamen einzelne ärmere Länder, die nur wenige Covid-Fälle zu beklagen hatten.

Ein großes Problem bei Gentilonis Politik ist, dass sich die EU nach ihren eigenen Regeln gar nicht verschulden darf. Artikel 311 Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (TFEU) legt eindeutig fest, dass die EU sich „vollständig aus Eigenmitteln“ finanzieren muss, also nicht auf Fremdkapital, also Schulden,  zurückgreifen darf. Deshalb war beim Next-Generation-Beschluss auch Einstimmigkeit unter allen EU-Ländern erforderlich.

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