kolesnikov14_ALEXANDER NEMENOVAFP via Getty Images_navalny protest Alexander Nemenov/AFP via Getty Images

Putin verliert den Kampf um Russlands Zukunft

MOSKAU – Seit die Russen begannen gegen die Inhaftierung von Oppositionsführer Alexei Nawalny zu protestieren, verfügen die Sicherheitskräfte offenbar über einen Freibrief zur Verhaftung der Demonstranten – und davon wird auch Gebrauch gemacht, wie die mittlerweile in die Tausende gehende Zahl der Verhafteten zeigt. Wenn Russen aus Solidarität mit den Demonstranten auch nur hupen, riskieren sie schon persönliche Repressalien. Die offizielle Reaktion auf die Proteste geht über die bisherige Repression des Kremls hinaus. Es herrscht Krieg.

Nawalny ist schon lange ein prominenter Gegner von Präsident Wladimir Putin. Doch Nawalnys Festnahme in Moskau -  unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Deutschland, wo er sich monatelang von einer (vermutlich) vom Kreml angeordneten Vergiftung erholt hatte – ließ ihn (wie auch seine Mitstreiter, von denen viele ebenfalls verhaftet wurden) auch zu einer Art moralischer Instanz werden.

Jetzt, da er zu fast drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde - die möglicherweise verlängert werden, wenn die Behörden ihn noch weiterer Verbrechen beschuldigen – befindet sich Nawalnys moralische Geltung auf einer Stufe mit jenen von Dissidenten aus der Spätzeit der Sowjetunion wie Andrei Sacharow. Russen, die sich noch vor ein paar Wochen nicht vorstellen konnten, wegen eines moralischen Imperativs eine Verhaftung zu riskieren, gehen jetzt auf die Straße. Und viele von denen, die zu Hause bleiben, verfolgen die Nachrichten über die Proteste und Nawalnys Notlage mit Mitgefühl.

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