NEW HAVEN – Das Versprechen des designierten US-Präsidenten Donald Trump, Zölle von 60 % auf Einfuhren aus China und von 10–20 % auf alle übrigen Einfuhren zu erheben, hat eine öffentliche Debatte darüber ausgelöst, ob derartige Maßnahmen wirklich so schlecht sind. Schließlich handelt es sich bei Zöllen um Verbrauchsteuern, und die meisten Ökonomen ziehen Verbrauchsteuern der Einkommensteuer vor, da Erstere effizienter und verwaltungstechnisch einfacher zu handhaben sind.
Aber Zölle haben erhebliche Nachteile. Da sie nur importierte Produkte besteuern, verzerren sie die Märkte, indem sie Ressourcen von effizienteren ausländischen Herstellern zu weniger effizienten inländischen Unternehmen verlagern. Diese Ineffizienz geht zu Lasten der Verbraucher, und wie die meisten Verbrauchsteuern sind Zölle regressiv und belasten Haushalte mit niedrigem Einkommen, die einen größeren Teil ihres Einkommens für Konsumgüter ausgeben, stärker.
Dennoch sind Zölle politisch attraktiv. Globalisierungskritiker in den hochentwickelten Volkswirtschaften argumentieren seit langem, dass die Effizienzgewinne der letzten Jahrzehnte der Handelsliberalisierung im Vergleich zu den verursachten Verwerfungen bescheiden waren. Zwar profitierten die US-Verbraucher von niedrigeren Preisen für importierte Waren, insbesondere aus China, doch machten sich diese weit gestreuten Gewinne weniger stark bemerkbar als der konzentrierte Schmerz von Fabrikschließungen und Arbeitsplatzverlusten in dem Importwettbewerb ausgesetzten Regionen.
Vor diesem Hintergrund mögen höhere Zölle vielleicht gar nicht so schlecht aussehen. Vielleicht könnten die bescheidenen Effizienzgewinne der Globalisierung rückgängig gemacht werden, um das Einkommen auf inländische Produzenten und Arbeitnehmer umzulenken. Vielleicht lassen sich die regressiven Auswirkungen von Zöllen durch Maßnahmen wie Ausnahmen für De-Minimis-Importe (im Wert von weniger als 800 Dollar) ausgleichen. Und auch wenn die Preise der besteuerten Importe steigen würden: Die amerikanischen Verbraucher schienen die Rolle des Handels dabei, die von ihnen konsumierten Waren erschwinglicher zu machen, in der Vergangenheit nicht sonderlich zu würdigen.
Das Problem mit diesen Argumenten ist, dass sie den aktuellen makroökonomischen Kontext außer Acht lassen. Die Inflation der letzten drei Jahre hat die Sensibilität der Verbraucher für Preisänderungen erhöht. Die heutigen Wähler werden den von Zöllen ausgehenden Inflationsdruck viel deutlicher wahrnehmen als in der Vergangenheit. Während die Befürworter neuer Zölle behaupten, dass China die Hauptlast der finanziellen Belastung tragen würde, belegen die Zölle von 2018/19 das Gegenteil: Die US-Verbraucher trugen den größten Teil der Kosten. Bedenkt man, dass die damaligen Zölle 10–25 % betrugen, würde eine 60%ige Abgabe womöglich einige Kosten auf China verlagern, aber die amerikanischen Verbraucher würden den Stachel immer noch spüren.
Selbst wenn die US-Preise unverändert blieben, könnte dies unbeabsichtigte Folgen haben. Sollten auf breiter Front erhobene Zölle zu einer starken Abwertung der chinesischen Währung führen, würde der stärkere Dollar die chinesischen Importe relativ betrachtet verbilligen. Dies könnte die durch die Zölle verursachten höheren Preise teilweise ausgleichen, würde aber das ursprüngliche Ziel untergraben, die Wettbewerbsfähigkeit der US-Industrie zu steigern. Zugleich würde der stärkere Dollar dem US-Export schaden und das Handelsdefizit verschlimmern.
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Dies deutet darauf hin, dass die verschiedenen Ziele, mit denen derzeit für Zölle geworben wird – die Verlagerung der Produktion, die Verringerung des Handelsdefizits, die Erzielung von Einnahmen, die Verringerung der Abhängigkeit der USA von China und das Erzwingen von Verhandlungen mit China bei gleichzeitiger Minimierung der Auswirkungen auf die Verbraucher – häufig miteinander in Konflikt stehen. Das liegt daran, dass sich Zölle über die Preise auf die US-Wirtschaft auswirken. Um die Wettbewerbsfähigkeit der USA zu steigern oder das Defizit zu verringern, müssen die Zölle die Importpreise erhöhen – ein Ergebnis, das heute politisch toxisch ist.
Die Verringerung der Abhängigkeit der USA von China ist auch deshalb komplex, weil viele aus Drittländern in die USA exportierte Waren in China hergestellte Zwischenprodukte enthalten. Seit 2018/19 haben China und mehrere Drittländer trotz der Zölle ein robustes Exportwachstum verzeichnet. Die vorgeschlagenen neuen Zölle würden womöglich nur die direkten chinesischen Exporte in die USA betreffen, nicht aber die in andere Länder. Eine zur Einschränkung der Reichweite Chinas vorgenommene Ausweitung der Zölle auf weitere Länder würde den Preisdruck verschärfen, da es für Verbraucher und Unternehmen in den USA weniger Substitutionsmöglichkeiten geben würde.
Das Argument, dass Zölle ein Mechanismus zur Erzielung von Einnahmen seien, ist interessant und neu (in dem Sinne, dass es seit vielen Jahrhunderten nicht mehr verwendet wurde). Aber es ist nicht stichhaltig. Zölle können die Einkommensteuer als Einnahmequelle unmöglich ersetzen: Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ist um etwa eine Größenordnung größer als der Umfang der Einfuhren. Dennoch könnten die Zölle dem Staat gewisse Einnahmen verschaffen, wobei China womöglich einen Teil der Kosten tragen würde. Als kurzfristige Verhandlungstaktik eingesetzt könnten Zölle einen gewissen wirtschaftlichen Druck auf China ausüben.
Das überzeugendste Argument für Zölle ist die Stärkung der Verhandlungsposition der USA. Die Zölle von 2018/19 führten zur sogenannten „Phase-Eins-Vereinbarung“, einer geplanten Deeskalation im Ausgleich für chinesische Zusagen, mehr aus den USA zu importieren und Bedenken in Bezug auf geistiges Eigentum und Technologietransfers auszuräumen. Obwohl die damaligen Zölle die größte Abkehr vom Freihandel seit dem Smoot-Hawley-Gesetz von 1930 darstellten, waren ihre wirtschaftlichen Auswirkungen bescheiden, und die Vereinbarung ermöglichte es den USA, ihr Gesicht zu wahren.
Doch hatten die Zölle von 2018/19 ihren Preis. Sie vergifteten die Beziehungen zwischen den USA und China, verschärften die Spannungen, drängten China in ein Bündnis mit Russland und dem Iran und schürten innenpolitisch eine anti-asiatische Stimmung. Sie untergruben die Beziehungen der USA zu Verbündeten, die nicht konsultiert wurden und die ebenfalls von bestimmten Zöllen betroffen waren. Und schließlich traten die vorgesehenen Auswirkungen des Phase-Eins-Abkommens nie in vollem Umfang ein. Die Unterbrechung des Handels durch die Pandemie hatte zur Folge, dass China seinen Verpflichtungen zum Kauf von Waren aus den USA bei weitem nicht nachkam.
Die heutigen Zollvorschläge bergen die Gefahr, dass sich die Geschichte wiederholt, nur in größerem Maßstab. Die neue Regierung wird mit einer misstrauischen, inflationssensiblen Öffentlichkeit und einem chinesischen Regime konfrontiert sein, das gut darauf vorbereitet ist, in großem Umfang Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen. Ob Zölle zu einem Verhandlungsinstrument oder einer Quelle größerer wirtschaftlicher Verwerfungen werden, hängt davon ab, wie die Regierung die konkurrierenden Ziele ausbalanciert. Vernunft und strategische Weitsicht werden dabei entscheidend sein.
World order is a matter of degree: it varies over time, depending on technological, political, social, and ideological factors that can affect the global distribution of power and influence norms. It can be radically altered both by broader historical trends and by a single major power's blunders.
examines the role of evolving power dynamics and norms in bringing about stable arrangements among states.
Donald Trump has left no doubt that he wants to build an authoritarian, illiberal world order based on traditional spheres of influence and agreements with other illiberal leaders. The only role that the European Union plays in his script is an obstacle that must be pushed aside.
warns that the European Union has no place in Donald Trump’s illiberal worldview.
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NEW HAVEN – Das Versprechen des designierten US-Präsidenten Donald Trump, Zölle von 60 % auf Einfuhren aus China und von 10–20 % auf alle übrigen Einfuhren zu erheben, hat eine öffentliche Debatte darüber ausgelöst, ob derartige Maßnahmen wirklich so schlecht sind. Schließlich handelt es sich bei Zöllen um Verbrauchsteuern, und die meisten Ökonomen ziehen Verbrauchsteuern der Einkommensteuer vor, da Erstere effizienter und verwaltungstechnisch einfacher zu handhaben sind.
Aber Zölle haben erhebliche Nachteile. Da sie nur importierte Produkte besteuern, verzerren sie die Märkte, indem sie Ressourcen von effizienteren ausländischen Herstellern zu weniger effizienten inländischen Unternehmen verlagern. Diese Ineffizienz geht zu Lasten der Verbraucher, und wie die meisten Verbrauchsteuern sind Zölle regressiv und belasten Haushalte mit niedrigem Einkommen, die einen größeren Teil ihres Einkommens für Konsumgüter ausgeben, stärker.
Dennoch sind Zölle politisch attraktiv. Globalisierungskritiker in den hochentwickelten Volkswirtschaften argumentieren seit langem, dass die Effizienzgewinne der letzten Jahrzehnte der Handelsliberalisierung im Vergleich zu den verursachten Verwerfungen bescheiden waren. Zwar profitierten die US-Verbraucher von niedrigeren Preisen für importierte Waren, insbesondere aus China, doch machten sich diese weit gestreuten Gewinne weniger stark bemerkbar als der konzentrierte Schmerz von Fabrikschließungen und Arbeitsplatzverlusten in dem Importwettbewerb ausgesetzten Regionen.
Vor diesem Hintergrund mögen höhere Zölle vielleicht gar nicht so schlecht aussehen. Vielleicht könnten die bescheidenen Effizienzgewinne der Globalisierung rückgängig gemacht werden, um das Einkommen auf inländische Produzenten und Arbeitnehmer umzulenken. Vielleicht lassen sich die regressiven Auswirkungen von Zöllen durch Maßnahmen wie Ausnahmen für De-Minimis-Importe (im Wert von weniger als 800 Dollar) ausgleichen. Und auch wenn die Preise der besteuerten Importe steigen würden: Die amerikanischen Verbraucher schienen die Rolle des Handels dabei, die von ihnen konsumierten Waren erschwinglicher zu machen, in der Vergangenheit nicht sonderlich zu würdigen.
Das Problem mit diesen Argumenten ist, dass sie den aktuellen makroökonomischen Kontext außer Acht lassen. Die Inflation der letzten drei Jahre hat die Sensibilität der Verbraucher für Preisänderungen erhöht. Die heutigen Wähler werden den von Zöllen ausgehenden Inflationsdruck viel deutlicher wahrnehmen als in der Vergangenheit. Während die Befürworter neuer Zölle behaupten, dass China die Hauptlast der finanziellen Belastung tragen würde, belegen die Zölle von 2018/19 das Gegenteil: Die US-Verbraucher trugen den größten Teil der Kosten. Bedenkt man, dass die damaligen Zölle 10–25 % betrugen, würde eine 60%ige Abgabe womöglich einige Kosten auf China verlagern, aber die amerikanischen Verbraucher würden den Stachel immer noch spüren.
Selbst wenn die US-Preise unverändert blieben, könnte dies unbeabsichtigte Folgen haben. Sollten auf breiter Front erhobene Zölle zu einer starken Abwertung der chinesischen Währung führen, würde der stärkere Dollar die chinesischen Importe relativ betrachtet verbilligen. Dies könnte die durch die Zölle verursachten höheren Preise teilweise ausgleichen, würde aber das ursprüngliche Ziel untergraben, die Wettbewerbsfähigkeit der US-Industrie zu steigern. Zugleich würde der stärkere Dollar dem US-Export schaden und das Handelsdefizit verschlimmern.
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Die Verringerung der Abhängigkeit der USA von China ist auch deshalb komplex, weil viele aus Drittländern in die USA exportierte Waren in China hergestellte Zwischenprodukte enthalten. Seit 2018/19 haben China und mehrere Drittländer trotz der Zölle ein robustes Exportwachstum verzeichnet. Die vorgeschlagenen neuen Zölle würden womöglich nur die direkten chinesischen Exporte in die USA betreffen, nicht aber die in andere Länder. Eine zur Einschränkung der Reichweite Chinas vorgenommene Ausweitung der Zölle auf weitere Länder würde den Preisdruck verschärfen, da es für Verbraucher und Unternehmen in den USA weniger Substitutionsmöglichkeiten geben würde.
Das Argument, dass Zölle ein Mechanismus zur Erzielung von Einnahmen seien, ist interessant und neu (in dem Sinne, dass es seit vielen Jahrhunderten nicht mehr verwendet wurde). Aber es ist nicht stichhaltig. Zölle können die Einkommensteuer als Einnahmequelle unmöglich ersetzen: Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ist um etwa eine Größenordnung größer als der Umfang der Einfuhren. Dennoch könnten die Zölle dem Staat gewisse Einnahmen verschaffen, wobei China womöglich einen Teil der Kosten tragen würde. Als kurzfristige Verhandlungstaktik eingesetzt könnten Zölle einen gewissen wirtschaftlichen Druck auf China ausüben.
Das überzeugendste Argument für Zölle ist die Stärkung der Verhandlungsposition der USA. Die Zölle von 2018/19 führten zur sogenannten „Phase-Eins-Vereinbarung“, einer geplanten Deeskalation im Ausgleich für chinesische Zusagen, mehr aus den USA zu importieren und Bedenken in Bezug auf geistiges Eigentum und Technologietransfers auszuräumen. Obwohl die damaligen Zölle die größte Abkehr vom Freihandel seit dem Smoot-Hawley-Gesetz von 1930 darstellten, waren ihre wirtschaftlichen Auswirkungen bescheiden, und die Vereinbarung ermöglichte es den USA, ihr Gesicht zu wahren.
Doch hatten die Zölle von 2018/19 ihren Preis. Sie vergifteten die Beziehungen zwischen den USA und China, verschärften die Spannungen, drängten China in ein Bündnis mit Russland und dem Iran und schürten innenpolitisch eine anti-asiatische Stimmung. Sie untergruben die Beziehungen der USA zu Verbündeten, die nicht konsultiert wurden und die ebenfalls von bestimmten Zöllen betroffen waren. Und schließlich traten die vorgesehenen Auswirkungen des Phase-Eins-Abkommens nie in vollem Umfang ein. Die Unterbrechung des Handels durch die Pandemie hatte zur Folge, dass China seinen Verpflichtungen zum Kauf von Waren aus den USA bei weitem nicht nachkam.
Die heutigen Zollvorschläge bergen die Gefahr, dass sich die Geschichte wiederholt, nur in größerem Maßstab. Die neue Regierung wird mit einer misstrauischen, inflationssensiblen Öffentlichkeit und einem chinesischen Regime konfrontiert sein, das gut darauf vorbereitet ist, in großem Umfang Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen. Ob Zölle zu einem Verhandlungsinstrument oder einer Quelle größerer wirtschaftlicher Verwerfungen werden, hängt davon ab, wie die Regierung die konkurrierenden Ziele ausbalanciert. Vernunft und strategische Weitsicht werden dabei entscheidend sein.
Aus dem Englischen von Jan Doolan