valls1_Pierre Ogeron_Montmartre Paris Pierre Ogeron/Getty Images

Wie Frankreich sich reformieren wird

PARIS – Die Welt ist in einem rapiden Wandel begriffen – und sie wartet auf niemanden. Die einzige Möglichkeit, Erfolg zu haben, ist, mit diesem Wandel Schritt zu halten. Dies ist der Grund, warum Frankreich Reformen verfolgt.

Natürlich bedeuten Reformen Veränderung. Aber sie bedeuten nicht, äußerem Druck nachzugeben oder aufzugeben, was Frankreich französisch macht. Vielmehr sind sie der Schlüssel zur Konsolidierung unserer Geschichte, unseres Stolzes, unserer Traditionen und Lebensart und unserer Werte in einem dynamischen globalen Umfeld, zum Wohle unserer heutigen Bürger und der von morgen. Sie sind der Schlüssel, um ein stärkeres, wohlhabenderes Frankreich aufzubauen.

Es steht eindeutig viel auf dem Spiel bei diesem laufenden Reformprozess. Die gute Nachricht ist, dass sich viele Faktoren zugunsten Frankreichs auswirken, darunter seine geografische Vielfalt, ein dynamischer Wissenschafts- und Technologiesektor, eine reiche Kultur und ein enormes Humankapital. Tatsächlich helfen diese Faktoren, zu erklären, warum Frankreich nach wie vor die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt ist.

Doch angesichts der Verwandlung der Weltwirtschaft durch die Globalisierung muss Frankreich sich anpassen, um es seinen Unternehmen zu ermöglichen, nicht nur zu Hause, sondern auch im Ausland konkurrenzfähig zu sein. Ein robuster Unternehmenssektor ist in einer offenen Wirtschaft entscheidend, denn er bestimmt die Fähigkeit eines Landes, den Lebensstandard seiner Bürger aufrechtzuerhalten und zu verbessern.

Dies ist der Grund, warum wir alles in unserer Macht Stehende tun müssen, damit Frankreich mehr Wohlstand von besserer Qualität schaffen kann. Indem wir Frankreichs Unternehmen helfen, verloren gegangene Margen wieder aufzuholen, befähigen wir sie, zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Dies genau ist das Ziel des am 1. Januar in Kraft tretenden „Verantwortungspakts“ und der Steuergutschriften zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und der Schaffung von Arbeitsplätzen.

Während wir den französischen Unternehmen helfen, im Ausland zu expandieren, müssen wir zugleich darauf hinarbeiten, zu ausländischen Investitionen in Frankreich zu ermutigen. Beides ist zentral für die wirtschaftliche Attraktivität eines Landes und gehört zu den wichtigsten Dimensionen des globalen Wettbewerbs.

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Dieses stärkere Frankreich wird sich direkt allen Herausforderungen stellen, mit denen die Welt es konfrontiert. Zugleich wird es seine Fähigkeit unter Beweis stellen, Hindernisse für die Kreativität und die Schaffung von Wohlstand auszuräumen. Das „Gesetz für Wachstum und Beschäftigung“, das im neuen Jahr zur Abstimmung steht, wird die Energie des Unternehmenssektors freisetzen – auch, indem es den Wettbewerb anregt. Zugleich wird die Öffnung regulierter Berufe dazu beitragen, jene Ungleichheiten zu beseitigen, die die französische Öffentlichkeit zunehmend frustrieren.

In einer offenen Wirtschaft mehr Wohlstand zu schaffen ist eine der Prioritäten meiner Regierung. Doch mehr Wohlstand allein wird die in Frankreich bestehenden Missstände nicht beseitigen. Die erfolgreichsten Länder sind jene, in denen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einem gemeinsamen Schicksal verbunden fühlen. Es ist daher dringend erforderlich, den gesellschaftlichen Dialog in Frankreich zu verbessern und das Vertrauen stärken.

Dieses Ziel liegt unseren Programmen zur Vereinfachung von Verhandlungen und Konsultationen im Wirtschaftssektor zugrunde. Und es ist eines der Leitmotive der Reform zur beruflichen Aus- und Weiterbildung, von der nicht nur die profitieren werden, die ihre Fertigkeiten am Arbeitsplatz verbessern möchten, sondern auch jene, die aufgrund mangelnder Ausbildung keine Arbeit finden können.

Diese Initiativen sind nur Teil eines umfassenderen Wandels. Wir arbeiten mittels einer Vielzahl von Mechanismen darauf hin, unseren Bürgern das Leben zu erleichtern, die Geschäftstätigkeit zu rationalisieren und die Behörden von unwesentlichen Tätigkeiten zu entlasten, die ihre Aufmerksamkeit von wichtigen strategischen Aufgaben ablenken. Die französischen Bürger werden die Auswirkungen dieser Bemühungen schon bald in ihrem täglichen Leben spüren.

Freilich werden diese Initiativen trotz des enormen Potenzials sie nichts bringen, wenn sie nicht als ausgewogen wahrgenommen werden. Frankreich ist schließlich traditionell durch einen starken egalitären Impuls geprägt.

Man denke etwa an die Bildung. Durch Überarbeitung unseres bildungspolitischen Schwerpunktprogramms können wir die Lehrmethoden anpassen, um die Ungleichheit in den Schulen zu bekämpfen, und zugleich zusätzliche Ressourcen in sozial benachteiligte Gebiete umlenken. Hierzu gehört, alle Schulen mit genügend Computern auszustatten, damit alle Schüler von den heutigen technologischen Durchbrüchen profitieren können – und zwar ohne dass es eine digitale Kluft zwischen Schülern oder Regionen gibt. Dass sich die Auswirkungen dieser Maßnahmen erst nach Jahren zeigen werden, darf ihre Dringlichkeit nicht schmälern.

Tatsächlich sollte der gesamte Prozess zum Aufbau einer starken und gerechten Volkswirtschaft nicht allein darauf abzielen, das Leben der heutigen Bürger zu verbessern; er muss Frankreich zugleich auf die Zukunft vorbereiten. Und gerade die erfolgreichsten Initiativen zur langfristigen Stärkung eines Landes brauchen häufig Zeit, um sichtbare Ergebnisse zu produzieren.

In einer Gesellschaft, die Unmittelbarkeit überbewertet, kann es schwierig sein, eine langfristige Sicht einzunehmen. Doch wird sich meine Regierung nicht von vorausschauenden Maßnahmen abhalten lassen, die sicherstellen, dass das Frankreich von morgen ein Frankreich ist, das unsere Bürger wollen und das sie verdienen.

Es ist Aufgabe des Staates, ein Reformbeispiel zu setzen. Dies gilt besonders in Frankreich, wo die Bürger hohe Erwartungen in den Staat setzen – der nicht alles tun soll, aber eindeutig strategische Linien vorgeben und die lokalen Akteure zum Erfolg befähigen soll. Kurz gesagt: Die Regierung muss ihre Fähigkeit, die Agenda vorzugeben, in den Dienst des Volkes stellen.

Ein außergewöhnlich großes Projekt zur Vorbereitung auf die Zukunft, das vor uns liegt, ist die Energiewende. Wir alle wissen, dass wir auf ein neues Wachstumsmodell zusteuern, das nüchterner und nachhaltiger ist, weniger auf fossile Brennstoffe setzt und mehr auf erneuerbare Energiequellen. Diese neue Wachstumsstrategie erfordert neue Gewohnheiten, Einstellungen und Lebensweisen. Mit dem Energiewendegesetz will sich meine Regierung an die Spitze dieses Trends stellen, indem sie den rechtlichen Rahmen für ein künftiges „grünes“ Wachstum schafft.

Die Ziele der Reformagenda der französischen Regierung sind klar: ein stärkeres Frankreich, das imstande ist, in einem sich rasch wandelnden globalen Umfeld Erfolg zu haben, ein faireres Frankreich, ohne welches weder individuelle noch kollektive Anstrengungen jedweder Art als Erfolg gelten könnten, und ein standfesteres Frankreich, das unseren Kindern eine stabile und wohlhabende Heimat bieten kann. Im Interesse Frankreichs und seiner Menschen haben wir uns den Reformen verschrieben, die zur Realisierung dieser Vision erforderlich sind.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

https://prosyn.org/LkoUILZde