GENF – Als die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihren Zinssatz vor Kurzem auf 0,25 % senkte, kündigte sie an, dass sie mit „quantitativer Lockerung“ beginnen und damit dem Beispiel der US-Notenbank Federal Reserve und der Bank of England folgen werde. Überraschender war die gleichzeitige Ankündigung, dass sie auf dem Devisenmarkt mit dem Ziel intervenieren werde, die Aufwertung des Franken umzukehren. Ist das die erste Salve in einem Krieg der Abwertungswettläufe?
Die Zinssätze sind in der Schweiz traditionell niedrig. Wie die meisten anderen Zentralbanken, die mit der Rezession konfrontiert sind, hat die SNB ihren Leitzins bis in den unteren Nullbereich gesenkt. Ist er dort einmal angekommen, wird die traditionelle Geldpolitik machtlos, da der Zinssatz nicht mehr als Werkzeug eingesetzt werden kann.
Deshalb suchen die Zentralbanken derzeit nach neuen Instrumenten. Die quantitative Lockerung stellt einen solchen Versuch dar. Es bleibt abzuwarten, ob sie tatsächlich einen gewissen geldpolitischen Einfluss wiederherstellen kann. Jedoch wird ein wichtiger Punkt selten erwähnt: In kleinen, offenen Wirtschaftsnationen – eine Beschreibung, die auf fast alle Länder zutrifft, außer auf die USA – stellt der Wechselkurs den Hauptkanal der Geldpolitik dar.
Dieser Kanal wird aus gutem Grunde außer Acht gelassen: Wechselkurspolitik ist im Grunde eine Variante der Beggar-thy-neighbour-Politik. Unkonventionelle Maßnahmen, die darauf abzielen, den Wechselkurs zu schwächen, sind sogar bei einem Zinssatz von null technisch möglich, und ihr Erfolg für das jeweilige Land ist recht wahrscheinlich. Mit der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch eine Währungsabwertung gelingt es bei einem schnell schrumpfenden Welthandelsvolumen vielleicht nicht, die Exporte zu steigern, doch kann damit der Schlag abgefedert werden, indem die Nachfrage umgelenkt wird auf Waren und Dienstleistungen aus dem Inland.
Das Risiko besteht darin, dass jene Länder, die unter dieser Umlenkung leiden, zurückschlagen und ihre eigenen Währungen abwerten. Das könnte durchaus eine Rückkehr zu den viel gefürchteten Abwertungswettläufen auslösen, die zur Weltwirtschaftskrise beigetragen haben.
Das erste Opfer wäre der ohnehin geringe Spielraum, der noch für eine internationale Koordinierung der Politik bleibt. Das zweite wäre das weltweite internationale Währungssystem. Tatsächlich war ein Hauptgrund für die Einrichtung des Internationalen Währungsfonds die Überwachung der Wechselkursentwicklungen mit dem ausdrücklichen Ziel, eine Beggar-thy-neighbour-Politik zu verhindern.
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Deshalb kommt der Schweizer Schritt überraschend. Zwar wurde der Franken seit Beginn der Krise im August 2007 real um 8 % aufgewertet, aber das wird in der Regel auf den Ruf der Währung als sicherer Hafen in turbulenten Zeiten zurückgeführt. Tatsächlich bedeutet dies, dass die Aufwertung weder eine Folge der Geldpolitik noch der anderen üblichen Faktoren ist. Während das Unbehagen der Schweizer Stellen angesichts der Situation verständlich ist, ist ihre Entscheidung in jedem Fall beunruhigend.
Der Schweizer Franken ist nicht die einzige Währung, die in den letzten Monaten gestiegen ist. Andere kleine Wirtschaftsnationen haben noch steilere reale Aufwertungen erlebt. Polen und die Tschechische Republik beispielsweise sahen ihre Währungen um nahezu 30 % bzw. 15 % in die Höhe schießen. Auch große Länder haben eine Aufwertung ihrer Währungen erlebt – 30 % für Japan und 15 % für China.
Auch diese Länder sind mit einer Rezession konfrontiert, und obwohl die Zinssätze noch nicht überall gegen null gehen, könnten die Anreize für eine Abwertung in der näheren Zukunft steigen. Eigentlich sind die Anreize bereits da. Einige relativ große Länder – Korea, Schweden und Großbritannien, um nur einige wenige zu nennen – hatten bereits sehr hohe Abwertungen zu verzeichnen. Tatsächlich hat die polnische Währung vor Kurzem angefangen, an Wert zu verlieren.
Keine der Zentralbanken dieser Länder hat angegeben, dass sie an der Abwertung der jeweiligen Währung beteiligt gewesen sei. Selbstverständlich kann es sein, dass Aussagen und Absichten nicht übereinstimmen. Es könnte sein, dass die SNB lediglich zugibt, was andere Zentralbanken nicht tun. Damit verstößt die SNB allerdings gegen ein Tabu: „Du sollst dich nicht an Abwertungswettläufen beteiligen.“ Es könnte auch sein, dass die SNB den Franken vor allem herunterreden möchte, um den „Sicheren-Hafen-Effekt“ zu brechen. Zumal sie eine umgehende Abwertung erreicht hat, könnte sie Erfolg gehabt haben. In diesem Fall wird sich der Franken nicht mehr viel in irgendeine Richtung bewegen, und es wird keinen Grund für weitere Eingriffe geben.
Trotzdem ist die verhaltene Reaktion auf den Schritt der SNB etwas überraschend. Der Schritt kam eine Woche nachdem der IWF seine jährliche Artikel-IV-Konsultation mit der Schweiz abgeschlossen hatte, und der Bericht muss noch veröffentlicht werden; er könnte dieses Mal für eine ungewöhnlich interessante Lektüre sorgen.
Andere Zentralbanken haben ihre Meinung nicht geäußert, was womöglich nahe legt, dass sie zumindest an dieser Stelle keine Vergeltung beabsichtigen. Vielleicht wurden sie durch die offizielle Erklärung der SNB beruhigt, dass die Aufwertung einer unangemessenen „Straffung der monetären Bedingungen“ entsprach, und dass der Schritt lediglich darauf abzielt, „eine weitere Aufwertung des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro zu verhindern.“
Es könnte auch sein, dass der Präzedenzfall zur Kenntnis genommen wurde und jene zuständigen Stellen, die beabsichtigen, damit zukünftige Schritte zu rechtfertigen, nicht willens sind, ihn zu kritisieren. In diesem Fall könnte die allgemeine Stille darauf hinweisen, dass alle anderen Zentralbanken sich mit dem Gedanken tragen, diese Option zu nutzen, was höchst beunruhigend wäre.
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US President Donald Trump’s import tariffs have triggered a wave of retaliatory measures, setting off a trade war with key partners and raising fears of a global downturn. But while Trump’s protectionism and erratic policy shifts could have far-reaching implications, the greatest victim is likely to be the United States itself.
warns that the new administration’s protectionism resembles the strategy many developing countries once tried.
It took a pandemic and the threat of war to get Germany to dispense with the two taboos – against debt and monetary financing of budgets – that have strangled its governments for decades. Now, it must join the rest of Europe in offering a positive vision of self-sufficiency and an “anti-fascist economic policy.”
welcomes the apparent departure from two policy taboos that have strangled the country's investment.
GENF – Als die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihren Zinssatz vor Kurzem auf 0,25 % senkte, kündigte sie an, dass sie mit „quantitativer Lockerung“ beginnen und damit dem Beispiel der US-Notenbank Federal Reserve und der Bank of England folgen werde. Überraschender war die gleichzeitige Ankündigung, dass sie auf dem Devisenmarkt mit dem Ziel intervenieren werde, die Aufwertung des Franken umzukehren. Ist das die erste Salve in einem Krieg der Abwertungswettläufe?
Die Zinssätze sind in der Schweiz traditionell niedrig. Wie die meisten anderen Zentralbanken, die mit der Rezession konfrontiert sind, hat die SNB ihren Leitzins bis in den unteren Nullbereich gesenkt. Ist er dort einmal angekommen, wird die traditionelle Geldpolitik machtlos, da der Zinssatz nicht mehr als Werkzeug eingesetzt werden kann.
Deshalb suchen die Zentralbanken derzeit nach neuen Instrumenten. Die quantitative Lockerung stellt einen solchen Versuch dar. Es bleibt abzuwarten, ob sie tatsächlich einen gewissen geldpolitischen Einfluss wiederherstellen kann. Jedoch wird ein wichtiger Punkt selten erwähnt: In kleinen, offenen Wirtschaftsnationen – eine Beschreibung, die auf fast alle Länder zutrifft, außer auf die USA – stellt der Wechselkurs den Hauptkanal der Geldpolitik dar.
Dieser Kanal wird aus gutem Grunde außer Acht gelassen: Wechselkurspolitik ist im Grunde eine Variante der Beggar-thy-neighbour-Politik. Unkonventionelle Maßnahmen, die darauf abzielen, den Wechselkurs zu schwächen, sind sogar bei einem Zinssatz von null technisch möglich, und ihr Erfolg für das jeweilige Land ist recht wahrscheinlich. Mit der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch eine Währungsabwertung gelingt es bei einem schnell schrumpfenden Welthandelsvolumen vielleicht nicht, die Exporte zu steigern, doch kann damit der Schlag abgefedert werden, indem die Nachfrage umgelenkt wird auf Waren und Dienstleistungen aus dem Inland.
Das Risiko besteht darin, dass jene Länder, die unter dieser Umlenkung leiden, zurückschlagen und ihre eigenen Währungen abwerten. Das könnte durchaus eine Rückkehr zu den viel gefürchteten Abwertungswettläufen auslösen, die zur Weltwirtschaftskrise beigetragen haben.
Das erste Opfer wäre der ohnehin geringe Spielraum, der noch für eine internationale Koordinierung der Politik bleibt. Das zweite wäre das weltweite internationale Währungssystem. Tatsächlich war ein Hauptgrund für die Einrichtung des Internationalen Währungsfonds die Überwachung der Wechselkursentwicklungen mit dem ausdrücklichen Ziel, eine Beggar-thy-neighbour-Politik zu verhindern.
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Der Schweizer Franken ist nicht die einzige Währung, die in den letzten Monaten gestiegen ist. Andere kleine Wirtschaftsnationen haben noch steilere reale Aufwertungen erlebt. Polen und die Tschechische Republik beispielsweise sahen ihre Währungen um nahezu 30 % bzw. 15 % in die Höhe schießen. Auch große Länder haben eine Aufwertung ihrer Währungen erlebt – 30 % für Japan und 15 % für China.
Auch diese Länder sind mit einer Rezession konfrontiert, und obwohl die Zinssätze noch nicht überall gegen null gehen, könnten die Anreize für eine Abwertung in der näheren Zukunft steigen. Eigentlich sind die Anreize bereits da. Einige relativ große Länder – Korea, Schweden und Großbritannien, um nur einige wenige zu nennen – hatten bereits sehr hohe Abwertungen zu verzeichnen. Tatsächlich hat die polnische Währung vor Kurzem angefangen, an Wert zu verlieren.
Keine der Zentralbanken dieser Länder hat angegeben, dass sie an der Abwertung der jeweiligen Währung beteiligt gewesen sei. Selbstverständlich kann es sein, dass Aussagen und Absichten nicht übereinstimmen. Es könnte sein, dass die SNB lediglich zugibt, was andere Zentralbanken nicht tun. Damit verstößt die SNB allerdings gegen ein Tabu: „Du sollst dich nicht an Abwertungswettläufen beteiligen.“ Es könnte auch sein, dass die SNB den Franken vor allem herunterreden möchte, um den „Sicheren-Hafen-Effekt“ zu brechen. Zumal sie eine umgehende Abwertung erreicht hat, könnte sie Erfolg gehabt haben. In diesem Fall wird sich der Franken nicht mehr viel in irgendeine Richtung bewegen, und es wird keinen Grund für weitere Eingriffe geben.
Trotzdem ist die verhaltene Reaktion auf den Schritt der SNB etwas überraschend. Der Schritt kam eine Woche nachdem der IWF seine jährliche Artikel-IV-Konsultation mit der Schweiz abgeschlossen hatte, und der Bericht muss noch veröffentlicht werden; er könnte dieses Mal für eine ungewöhnlich interessante Lektüre sorgen.
Andere Zentralbanken haben ihre Meinung nicht geäußert, was womöglich nahe legt, dass sie zumindest an dieser Stelle keine Vergeltung beabsichtigen. Vielleicht wurden sie durch die offizielle Erklärung der SNB beruhigt, dass die Aufwertung einer unangemessenen „Straffung der monetären Bedingungen“ entsprach, und dass der Schritt lediglich darauf abzielt, „eine weitere Aufwertung des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro zu verhindern.“
Es könnte auch sein, dass der Präzedenzfall zur Kenntnis genommen wurde und jene zuständigen Stellen, die beabsichtigen, damit zukünftige Schritte zu rechtfertigen, nicht willens sind, ihn zu kritisieren. In diesem Fall könnte die allgemeine Stille darauf hinweisen, dass alle anderen Zentralbanken sich mit dem Gedanken tragen, diese Option zu nutzen, was höchst beunruhigend wäre.