stiglitz336_Justin SullivanGetty Image_bidentrumpdebate Justin Sullivan/Getty Images

Es steht außer Frage, wer für die US-Wirtschaft besser wäre

NEW YORK: Etwas fehlt bisher in der Flut der Kommentare nach der Debatte zwischen US-Präsident Joe Biden und Donald Trump. Während die Urteile der Wähler über die Persönlichkeit und persönlichen Stärken eines Kandidaten wichtig sind, sollte sich jeder an das berühmte Diktum [Bill Clintons] erinnern: „Es ist die Wirtschaft, Dummkopf.“ In dem Strom unverblümter Lügen, die Trump während der Debatte von sich gab, waren die gefährlichsten Unwahrheiten jene über seine und Bidens jeweilige wirtschaftspolitische Leistungen.

Die Bewertung der wirtschaftlichen Leistung eines Präsidenten ist immer eine heikle Angelegenheit, da viele Entwicklungen von seinen jeweiligen Vorgängern in Gang gesetzt wurden. Barack Obama musste mit einer tiefen Rezession fertigwerden, weil frühere Regierungen eine Deregulierung des Finanzsektors betrieben hatten und es versäumt hatten, die Krise, die im Herbst 2008 ausbrach, abzuwenden. Anschließend wurde dem Land jene Art von Fiskalpolitik verwehrt, die die Wirtschaft schneller aus der Großen Rezession hätte bringen können, da die Republikaner im Kongress der Obama-Regierung Steine in den Weg legten und Sparmaßnahmen forderten. Als sich die Wirtschaft schließlich erholte, war Obama auf dem Weg nach draußen und Trump auf dem Weg nach drinnen.

Trump zögerte nicht, das nachfolgende Wachstum für sich in Anspruch zu nehmen. Doch während er und die Republikaner im Kongress die Steuern für Unternehmen und Milliardäre senkten, blieb der versprochene Investitionsschub aus. Stattdessen gab es eine Welle von Aktienrückkäufen, die im nächsten Jahr eine Billion Dollar übersteigen dürften.

Obwohl Trump nicht für COVID-19 verantwortlich gemacht werden kann, trägt er sicherlich die Verantwortung für die unzureichende Reaktion darauf, die den USA eine Sterberate weit über der anderer hochentwickelter Länder bescherte. Während das Virus überproportional ältere Menschen dahinraffte, verringerte es auch die Zahl der Erwerbstätigen, und das trug zu dem Arbeitskräftemangel und der Inflation bei, die Biden dann erbte.

Bidens eigene wirtschaftliche Bilanz ist beeindruckend. Unmittelbar nach Amtsantritt erreichte er die Verabschiedung des American Rescue Plan, der zu einer stärkeren Erholung des Landes von der Pandemie führte als in jedem anderen hochentwickelten Land. Dann kam das Bipartisan Infrastructure Law, das die Mittel zur Verfügung stellte, um wichtige Elemente der US-Wirtschaft nach einem halben Jahrhundert der Vernachlässigung zu reparieren.

Im nächsten Jahr unterzeichnete Biden den CHIPS and Science Act von 2022. Dieser läutete eine neue Ära der Industriepolitik ein, die die künftige Widerstandsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der US-Volkswirtschaft sicherstellen wird (ein scharfer Bruch mit der Fragilität, die die vorangegangene neoliberale Ära prägte). Und mit dem Inflation Reduction Act von 2022 traten die USA endlich dem Kampf der internationalen Gemeinschaft gegen den Klimawandel bei und investierten in die Technologien der Zukunft.

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Der American Rescue Plan sorgte nicht nur für eine wirtschaftliche Absicherung gegen die Möglichkeit eines hartnäckigen und sich ständig weiterentwickelnden Virus, sondern auf für eine Reduzierung der Kinderarmut um fast die Hälfte – und das innerhalb eines Jahres. Er wurde jedoch auch (und zwar auch von einigen Demokraten) für die nachfolgende Inflation verantwortlich gemacht.

Dieser Vorwurf hält freilich einer Überprüfung nicht stand. Der American Rescue Plan bewirkte keinen übermäßigen Anstieg der Gesamtnachfrage, oder zumindest nicht in einem Ausmaß, das die Höhe der Inflation erklären könnte. Die Schuld lag größtenteils bei den durch Pandemie und Krieg verursachten Angebotsausfällen und Nachfrageschocks. Soweit Biden etwas dagegen tun konnte, tat er es: Er zapfte die strategische Erdölreserve an, um der Ölknappheit zu begegnen, und bemühte sich, Engpässe in den US-Häfen zu beseitigen.

Noch relevanter für diese Wahl ist, was in der Zukunft liegt. Sorgfältige wirtschaftliche Modellierungen haben gezeigt, dass Trumps Vorschläge zu höherer Inflation – trotz geringeren Wachstums – und zu größerer Ungleichheit führen würden.

Zunächst einmal würde Trump die Zölle erhöhen, und die Kosten würden größtenteils an die US-Verbraucher weitergegeben. Trump geht im Widerspruch zum wirtschaftswissenschaftlichen Basiswissen davon aus, dass China einfach seine Preise senken würde, um die Zölle auszugleichen. Aber in diesem Fall würden keine amerikanischen Arbeitsplätze gerettet (Schlüssigkeit im Denken war noch nie eine von Trumps Stärken).

Darüber hinaus würde Trump die Einwanderung einschränken, was zu einem angespannteren Arbeitsmarkt führen und das Risiko eines Arbeitskräftemangels in einigen Sektoren erhöhen würde. Und er würde das Defizit erhöhen. Das hätte Auswirkungen, die die besorgte US-Notenbank zu Zinserhöhungen veranlassen könnten, was die Investitionen in den Wohnungsbau verringern würde. Mieten und Wohnkosten (eine wichtige Quelle der heutigen Inflation) würden dadurch noch weiter steigen. Doch würden die höheren Zinsen nicht nur durch Verringerung der Investitionen das Wachstum bremsen; sie würden auch den Wechselkurs in die Höhe treiben, was US-Exporte weniger wettbewerbsfähig machen würde. Zudem würden die US-Exporte aufgrund der höheren Zölle und der durch diese provozierten Vergeltungsmaßnahmen unter höheren Inputkosten leiden.

Wir wissen bereits, dass die Unternehmenssteuersenkungen von 2017 nicht zu hohen Investitionen anregten und dass die meisten Vorteile den sehr Reichen und Ausländern (die große Anteile an US-Unternehmen besitzen) zugutekamen. Bei den zusätzlichen Steuersenkungen, die Trump verspricht, dürfte das kaum besser sein, aber sie werden fast mit Sicherheit das Defizit und die Ungleichheit erhöhen.

Natürlich gibt es erhebliche Komplexität bei der Modellierung dieser Effekte. Es ist unklar, wie schnell oder energisch die Fed auf eine zollinduzierte Inflation reagieren würde, aber ihre Ökonomen würden das Problem offensichtlich kommen sehen. Würden sie versucht sein, es durch eine frühzeitige Erhöhung der Zinsen im Keim zu ersticken? Würde Trump dann gegen institutionelle Normen verstoßen, indem er versucht, den Notenbankchef zu entlassen? Wie würden die Märkte (in den USA und anderswo) auf diese neue Ära der Unsicherheit und des Chaos reagieren?

Die längerfristige Prognose ist klarer – und schlimmer. Die USA verdanken ihren wirtschaftlichen Erfolg der letzten Jahre zu großen Teilen ihrer technologischen Kompetenz, die auf soliden wissenschaftlichen Grundlagen beruht. Trump jedoch würde weiterhin unsere Universitäten attackieren und massive Ausgabenkürzungen im Bereich der Forschung und Entwicklung fordern. Der einzige Grund, warum diese Kürzungen in Trumps vorheriger Amtszeit nicht durchgeführt wurden, ist, dass die Republikanische Partei ihm damals nicht rückhaltlos folgte. Jetzt tut sie das.

Ebenso würde Trump trotz der Bevölkerungsalterung in den USA die Erwerbsbevölkerung durch Begrenzung der Einwanderung schrumpfen lassen. Und obwohl Ökonomen die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit für das Wirtschaftswachstum betonen, ist Trump, ein verurteilter Straftäter, nicht gerade für seine Einhaltung der Gesetze bekannt.

Wer besser für die Wirtschaft wäre – Trump oder Biden (oder jeder andere Demokrat, der Biden ersetzen könnte, falls dieser aus dem Rennen aussteigen sollte) – steht deshalb völlig außer Frage.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

https://prosyn.org/KGMmX3ude