climate change smoke stacks Lukas Schulze/Getty Images

Die klimabedingte Gesundheitskrise muss Schwerpunkt der COP28 sein

LONDON – Unsere anhaltende Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen schadet unserer Gesundheit und lässt die Temperaturen weltweit auf Rekordniveau steigen. Die miteinander in Verbindung stehenden Klimakatastrophen der letzten Jahre - Extremwetterereignisse, Ernährungsunsicherheit, Wasserknappheit und zunehmende Luftverschmutzung - sind eine unmittelbare Folge der Treibhausgasemissionen. Doch die negativen Auswirkungen, die wir heute erleben, könnten nur ein Vorgeschmack auf Katastrophen sein, die uns noch bevorstehen.

Das ist die zentrale Erkenntnis des jüngsten Lancet Countdown-Berichts, der von führenden Gesundheits- und Klimaforschenden unter meiner Leitung verfasst wurde. Für Millionen Menschen, die unter klimabedingten Gesundheitsproblemen leiden, sowie für deren Angehörige wird diese trostlose Schlussfolgerung zweifellos nicht überraschend kommen. Die meisten von uns sind, unabhängig vom Wohnort, direkt oder indirekt von dieser Krise betroffen.

Angesichts des sich zuspitzenden Klimawandels sind dessen Auswirkungen auf unsere körperliche und geistige Gesundheit nicht mehr nur hypothetischer Natur. Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass im Jahr 2021 aufgrund der sich in den Jahren zuvor häufenden Hitzewellen und Dürren 127 Millionen mehr Menschen als in den Jahren 1981-2010 unter mittelschwerer oder starker Ernährungsunsicherheit litten. Unterdessen fordert die durch die Verbrennung schmutziger Brennstoffe verursachte Luftverschmutzung im Freien jährlich 1,9 Millionen Menschenleben, und Infektionskrankheiten wie Dengue-Fieber breiten sich auf neue Regionen aus.

Doch auch nach 27 Jahren alljährlicher Klimakonferenzen weigern sich die führenden Politikerinnen und Politiker der Welt immer noch, die dringende Notwendigkeit eines Ausstiegs aus der Nutzung fossiler Brennstoffe anzuerkennen. Trotz erdrückender Beweise, dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe Hauptursache für die derzeitige Gesundheitskrise ist, findet sich in dem Entwurf der Erklärung zum Thema Klimawandel und Gesundheit, die auf der bevorstehenden UN-Klimakonferenz (COP28) in Dubai veröffentlicht werden soll, kein Hinweis auf dieses Thema.

Da sich viele Länder und Unternehmen von ihren Klimazusagen distanzieren, bewegt sich die Welt in die falsche Richtung. Ändert sich nichts am derzeitigen Ausmaß der Treibhausgasemissionen, steuern wir bis zum Jahr 2100 auf einen globalen Temperaturanstieg von fast 3 Grad zu. Wir werden also weit über dem im Pariser Klimaabkommen von 2015 festgelegten Ziel von 1,5 Grad liegen.

Die Folgen dieser Entwicklung könnten katastrophal sein. Selbst bei einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um knapp unter 2 Grad dürften die jährlichen hitzebedingten Todesfälle bis Mitte des Jahrhunderts um 370 Prozent ansteigen. Die am stärksten gefährdeten Gruppen, nämlich ältere Menschen und Kinder, erleben heute doppelt so viele Hitzetage wie noch vor 30 Jahren. Und da Hitzewellen immer häufiger auftreten, könnte die Zahl der Menschen, die unter mittelschwerer oder starker Ernährungsunsicherheit leiden, bis Mitte des Jahrhunderts um etwa 525 Millionen ansteigen.

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Abgesehen von diesen direkten Auswirkungen gefährdet die Klimakrise auch das individuelle Wohlbefinden und die für eine gesunde Bevölkerung notwendigen sozioökonomischen Bedingungen. Im Jahr 2022 sorgten extreme Hitzewellen weltweit für ein Minus von 490 Milliarden Arbeitsstunden. Selbst wenn es uns gelingt, die globale Erwärmung auf knapp unter 2 Grad zu begrenzen, werden die hitzebedingten Arbeitsausfälle voraussichtlich um 50 Prozent zunehmen.

Dabei gilt es hervorzuheben, dass diese Auswirkungen nicht gleichmäßig verteilt sind. Regionen, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben - Afrika, Süd- und Mittelamerika, Asien und kleine Insel-Entwicklungsländer - tragen oft die Hauptlast der klimabedingten Gesundheitsrisiken.

Angesichts der Dringlichkeit der aktuellen Bedrohung präsentiert sich das derzeitige Tempo der weltweiten Bemühungen zur Emissionssenkung unzureichend und bleibt weit hinter den Zielen des Pariser Abkommens zurück. Die energiebedingten Emissionen haben im Jahr 2022 einen historischen Höchststand erreicht, während nach wie vor nur 9,5 Prozent der weltweiten Stromerzeugung auf erneuerbare Energieträger entfallen. Haushalte auf der ganzen Welt können immer noch nicht auf schmutzige Brennstoffe verzichten. In den klimatisch am stärksten gefährdeten Ländern sind Familien hinsichtlich ihrer Haushaltsenergie zu 92 Prozent auf umweltschädliche Brennstoffe angewiesen, weswegen die im Haushalt lebenden Personen in ihren eigenen vier Wänden unter verpesteter Luft leiden.

Obwohl die Politik versucht ist, diese Krise schrittweise zu bewältigen, gilt es festzustellen, dass die Strategie, ein Problem nach dem anderen zu lösen oder sich ausschließlich auf Anpassungsmaßnahmen zu konzentrieren, ungenügend ist. Ohne signifikante Verringerung der Emissionen, kann man sich Anpassungsmaßnahmen sparen. Die klimabedingte Gesundheitskrise kann nicht ohne die sofortige Abkehr von fossilen Brennstoffen bewältigt werden. Durch die Fokussierung auf klimapolitische Maßnahmen, die Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen fördern, könnten Regierungen vorzeitige Todesfälle verhindern, Menschen und Erwerbsbevölkerung belastbarer machen und die jeweilige Binnenwirtschaft stärken.

Wie lässt sich das erreichen? Unser Bericht skizziert 11 konkrete Maßnahmen in fünf Schwerpunktbereichen. Zuallererst gilt es, die Treibhausgasemissionen im Einklang mit dem Pariser Abkommen zu reduzieren, um zu gewährleisten, dass die Anpassungsfähigkeit unserer Gesundheitssysteme nicht durch Klimarisiken beeinträchtigt wird. Das erfordert eine konzertierte Anstrengung zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen durch eine gerechte Energiewende, im Rahmen derer die gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung verringert werden und der Zugang zu sauberer, erneuerbarer Energie ausgeweitet wird, insbesondere in den am stärksten unterversorgten Regionen der Welt, in denen Energiearmut nach wie vor eine Herausforderung darstellt.

Gleichzeitig sind wir gefordert, die Anpassungsmaßnahmen zu beschleunigen, um Bevölkerungsgruppen zu schützen, die bereits unter den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels leiden. Dazu müssen wir die Zusammenarbeit zwischen Gesundheitssektor, Umweltorganisationen und Wetterdiensten verstärken. Und durch die Abschaffung aller Subventionen, Kredite und Investitionen in fossile Brennstoffe wäre es möglich, Spielraum für Klimafinanzierung und Ressourcenallokation zur Unterstützung der Anpassungsbemühungen in gefährdeten Ländern zu schaffen.

Diesen Wandel wird der Gesundheitssektor anführen müssen. Eine stärkere Anpassung des Gesundheitswesens ist unerlässlich, um unsere Gesundheitssysteme in die Lage zu versetzen, uns inmitten eskalierender Klimaprobleme zu schützen. Entscheidend ist die Umsetzung von Maßnahmen im Bereich öffentlicher Gesundheit, die zu einer Verringerung der Luftverschmutzung führen, eine gesündere, CO2-arme Ernährung unterstützen, einen aktiven Lebensstil fördern und Bestimmungen für umweltverschmutzende Wirtschaftszweige vorsehen. Und in Anbetracht der Tatsache, dass der Gesundheitssektor selbst für 4,6 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist und Einfluss auf etwa 11 Prozent der Weltwirtschaft ausübt, könnte dieser Bereich eine entscheidende direkte Rolle bei der globalen Dekarbonisierung spielen.

Die COP28 ist eine Bewährungsprobe für das Engagement der führenden Politikerinnen und Politiker der Welt, diese Krise zu bewältigen. Ein echter Fokus auf den Gesundheitsbereich könnte eine schnelle und nachhaltige Abkehr von fossilen Brennstoffen bewirken und Anpassungsbemühungen erleichtern. Andernfalls wird die bevorstehende Konferenz kaum mehr als ein Lippenbekenntnis zu Gesundheitsfragen sein und unsere kollektive Untätigkeit bekräftigen. Die Zahl der klimabedingten Todesfälle wird weiter zunehmen, und eine lebenswerte Zukunft in weite Ferne rücken.

Übersetzung: Helga Klinger-Groier

https://prosyn.org/8KQ1N3qde