constantin2_Paul RatjeThe Washington Post via Getty Images_abortion pills Paul Ratje/The Washington Post via Getty Images

Selfbestimmte Abtreibungen retten Leben

GENF – Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass weltweit jedes Jahr 29 Millionen unsichere Abtreibungen durchgeführt werden, die zu etwa 40.000 vermeidbaren Todesfällen führen. Viele dieser Todesfälle sind die Folge gefährlicher Eingriffe in Regionen, wo der Zugang zu sicheren, legalen Schwangerschaftsabbrüchen durch restriktive Gesetze eingeschränkt oder verboten ist.

Freilich gibt es eine einfachere, bewährte Alternative: den Abbruch ungewollter Schwangerschaften mit Medikamenten wie Mifepriston und Misoprostol, die von der WHO als sicher und wirksam eingestuft werden. Doch auch hier schränken rechtliche und politische Hürden den Zugang für Frauen zu diesen lebenswichtigen Möglichkeiten ein. Um die Müttersterblichkeit zu senken, sind Regierungen weltweit gefordert, diese Hürden zu beseitigen und selbstbestimmte Schwangerschaftsabbrüche für alle zugänglich zu machen.

Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung der Abtreibungsgesetze in 35 Ländern und vier US-Bundesstaaten unterstreicht das Ausmaß des Problems. In nur 10 Prozent der Länder beziehungsweise Bundesstaaten sind Abtreibungen ohne die Mitwirkung von Gesundheitsdienstleistern erlaubt. Schlimmer noch: In fast der Hälfte dieser Rechtsordnungen ist das persönliche Erscheinen vor Ort oder die Einnahme von Abtreibungspillen in einer medizinischen Einrichtung vorgeschrieben, wodurch den Betroffenen die Privatsphäre und Autonomie vorenthalten wird, die eine selbstbestimmte Abtreibung bieten kann.

Diese Einschränkungen beeinträchtigen nicht nur den Zugang zu sicheren Abtreibungen, sondern drängen die Frauen auch zu unsicheren Methoden, die von der Politik angeblich abgelehnt werden. In Ländern mit restriktiven Abtreibungsgesetzen greifen Frauen, die keinen Zugang zu sicheren Alternativen haben, eher auf solche Methoden zurück. Tatsächlich finden laut WHO 97 Prozent der unsicheren Abtreibungen in Entwicklungsländern statt, wo die Abtreibungsgesetze oft besonders streng sind. Diese rechtlichen Hürden haben tiefgreifende Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit, da schwangere Frauen ihr Leben riskieren, nur weil ihre Regierungen ihnen das Recht verweigern, ihre eigenen reproduktiven Entscheidungen zu treffen.

Aber nicht alle Länder sind in der Vergangenheit stecken geblieben. Kolumbien, Irland und Neuseeland haben ihre Gesetze und Regelungen aktualisiert, um sie besser an die Empfehlungen der WHO anzupassen. Damit zeigen sie, dass es möglich ist, ein rechtliches Umfeld zu schaffen, in dem selbstbestimmte Schwangerschaftsabbrüche erleichtert werden. Ebenso haben sich Gerichtsbarkeiten wie Mexiko-Stadt und US-Bundesstaaten wie Kalifornien und New York für den Einsatz von Telemedizin entschieden, die es Einzelpersonen ermöglicht, ohne unnötige Barrieren und staatliche Einmischung, Entscheidungen über ihre reproduktive Gesundheit zu treffen und sicher und diskret von zu Hause aus Zugang zu Abtreibungsbehandlungen zu erhalten.

Freilich ist der Widerstand gegen die Liberalisierung des Zugangs zu Abtreibungspillen oft auf Gesundheits- und Sicherheitsbedenken zurückzuführen. Ohne klinische Überwachung, so die Argumentation der Kritiker, könnten medizinische Komplikationen auftreten, die eine Gefährdung der Patientinnen darstellen. Doch eine wachsende Zahl von Belegen zeigt, dass selbstbestimmte Abtreibungen, wenn sie mit ausreichend Information und Zugang zu Medikamenten durchgeführt werden, genauso sicher sind wie klinikbasierte Verfahren. Darüber hinaus führt die Einschränkung des Zugangs zu Medikamenten wie Mifepriston nicht dazu, dass weniger Abtreibungen stattfinden – die Menschen werden lediglich in Richtung unsicherer Alternativen gedrängt.

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Außerdem gibt es keine empirischen Belege zur Untermauerung der These, dass eine Lockerung der Beschränkungen für Abtreibungspillen zu Missbrauch oder übermäßigem Gebrauch führen könnte. Studien zeigen, dass Frauen, die sich für einen selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch entscheiden, bei Komplikationen medizinische Hilfe in Anspruch nehmen und dass eine adäquate Aufklärung negative Folgen verhindern kann. Wenn Menschen nicht dafür bestraft werden, dass sie Hilfe suchen, ist es außerdem viel wahrscheinlicher, dass sie die nötige Versorgung erhalten, falls etwas schiefgeht.

Die überwältigende Fülle an Belegen spricht dafür, dass Regierungen den Entscheidungen der Menschen hinsichtlich ihrer reproduktiven Gesundheit vertrauen sollten. Die Entkriminalisierung selbstbestimmter Abtreibungen und die Aufhebung unnötiger Beschränkungen, wie beispielsweise Verschreibungspflicht und ärztliche Aufsicht, sind entscheidende erste Schritte. Noch wichtiger ist, dass Regierungen den Zugang zu Telemedizin für selbstbestimmte Abtreibungen erweitern, insbesondere in abgelegenen und unterversorgten Gebieten, in denen es nur wenige Kliniken gibt.

Natürlich werden durch die Reform der Abtreibungsgesetze nicht alle Hindernisse für eine sichere Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen beseitigt. In vielen Gebieten werden soziale Stigmatisierung und Falschinformationen weiterhin die Bemühungen zur Stärkung der reproduktiven Rechte untergraben. Die Legalisierung und der erweiterte Zugang zu selbstbestimmten Schwangerschaftsabbrüchen würde jedoch die Zahl der weltweit durch unsichere Verfahren verursachten Todesfälle erheblich senken und die reproduktive Gerechtigkeit für alle befördern.

Regierungen, die behaupten, sich um die Gesundheit von Müttern zu kümmern, können es sich nicht länger leisten, die Realität auszublenden. Wenn politische Entscheidungsträger wirklich entschlossen sind, vermeidbare Todesfälle zu reduzieren und die körperliche Selbstbestimmung von Frauen zu wahren, müssen sie gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, die selbstbestimmte Schwangerschaftsabbrüche erleichtern und ermöglichen. Der Preis der Untätigkeit ist viel zu hoch.

Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier

https://prosyn.org/EBGxcE3de