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Alleingang des Bundesverfassungsgerichts

WASHINGTON, DC – Am 5. Mail urteilte das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG), dass Regierung und Parlament gegen die Verfassung verstoßen hätten, da sie die Europäische Zentralbank und insbesondere ihr Programm zum Ankauf von Staatsanleihen (PSPP) nicht ordnungsgemäß überprüft hätten. Die Entscheidung war so verquast wie es klingt – von hinten durch die Brust ins Auge. Und das ist das Problem.

In wütendem, selbstgerechtem Ton argumentierte das Gericht, es sei durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Dezember 2018 in derselben Frage nicht gebunden, weil der Gerichtshof, indem er den „Verhältnismäßigkeitsgrundsatz“ der EU nicht ordnungsgemäß angewandt habe, grob gegen Methoden der Rechtsauslegung verstoßen habe. Infolgedessen sei die Entscheidung des EuGH ultra vires (übersteige dessen Befugnisse) und daher nicht bindend.

Mit anderen Worten: Ein unabhängiges Gericht hat die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung eines anderen unabhängigen (und, in Bezug auf EU-Recht, übergeordneten) Gerichts wegen dessen vorgeblichem Versäumnis angegriffen, eine unabhängige Notenbank zu überwachen. Die uralte Frage Quis custodiet ipsos custodes? (Wer überwacht die Wächter?) war nie bedeutsamer als heute.

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