myerson1_Beata ZawrzelNurPhoto via Getty Images_nato ukraine Beata Zawrzel/NurPhoto via Getty Images

Wie die NATO zur Beendigung des Ukraine-Kriegs beitragen kann

CHICAGO/KIEW: Im vergangenen Monat endete ein weiterer NATO-Gipfel mit der vagen Aussage, dass die Ukraine irgendwann Mitglied des Bündnisses sein werde. Während es jedoch unmöglich ist, ein genaues Datum für den Beitritt der Ukraine zu nennen, solange sich das Land im Krieg befindet, sollte das auslösende Ereignis klar sein: Die USA und ihre NATO-Verbündeten sollten bereit sein, der Ukraine uneingeschränkten Schutz zu gewähren, sobald ein Friedensabkommen erreicht ist. Dies würde die ukrainische Regierung in die Lage versetzen und ermutigen, die zur Beendigung der Kämpfe erforderlichen schwierigen Entscheidungen zu treffen.

Der erste Schritt auf dem Weg zu einem dauerhaften Frieden in der Ukraine besteht darin, sich bewusst zu machen, dass Russland seine groß angelegte Invasion im Jahr 2022 nicht gestartet hat, um lediglich einige ukrainische Gebiete zu erobern. Es ging auch nicht darum, die Erfüllung vager Versprechungen einer künftigen NATO-Mitgliedschaft der Ukraine zu verhindern – auch wenn der Kreml diese Versprechungen nutzte, um die Russen und andere zu überzeugen, dass die Invasion entscheidend war, um schwerwiegende Bedrohungen für Russlands Sicherheit abzuwenden.

Das Ziel Russlands bestand vielmehr immer darin, die Ukraine als unabhängiges demokratisches Land zu zerstören, das der russische Präsident Wladimir Putin als existenzielle Bedrohung für sein autokratisches Regime betrachtet. Das Fehlen von NATO-Sicherheitsgarantien für die Ukraine nährte Putins Illusion, das Land auf dem Schlachtfeld leicht besiegen zu können.

Nach mehr als zwei Jahren Krieg hat sich diese Illusion zerschlagen. Die ukrainische Regierung vertritt offiziell den Standpunkt, dass ihre Streitkräfte so lange weiterkämpfen werden, bis sie alle derzeit von Russland besetzten Gebiete befreit haben. Man sollte diese Haltung nicht als Friedenshindernis betrachten: Wenn das Ziel des Gegners die eigene totale Vernichtung ist, führen territoriale Zugeständnisse nicht zu einem Ende des Krieges, sondern schwächen lediglich die eigene Position.

Das eigentliche Hindernis für eine vernünftige Friedensregelung ist Putin, der nach wie vor sicherzustellen sucht, dass die Ukraine als freies und demokratisches Land nicht überlebt, und der seit langem Versprechen bricht und Verträge verletzt. Da es in Russland keine politischen Institutionen gibt, die Putin zwingen könnten, die Bedingungen eines Friedensabkommens einzuhalten, ist davon auszugehen, dass er dieses Abkommen bereitwillig missachten und bei erster Gelegenheit erneut in die Ukraine einmarschieren würde – es sei denn, die internationale Gemeinschaft gibt ihm einen sehr guten Grund, dies nicht zu tun.

Ein Verhandlungsfrieden in der Ukraine kann nur glaubwürdig sein, wenn er greifbare internationale Verpflichtungen zur Gewährleistung der langfristigen Unabhängigkeit des Landes beinhaltet. Die Einbeziehung des NATO-Schutzes für die Ukraine in jedes Friedensabkommen ist die naheliegende Lösung. Schließlich ist es die Gefahr eines Krieges mit der NATO, die Russland davon abhält, beispielsweise in den baltischen Staaten einzumarschieren.

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Ein plausibler Weg voran würde damit beginnen, dass das ukrainische Militär die Frontlinien mit Hilfe westlicher Waffen und Unterstützung stabilisiert. Sobald diese Bedingung erfüllt ist, könnte sich die Ukraine mit Russland an den Verhandlungstisch setzen, wobei man sich darauf verständigt, dass jede Vereinbarung durch NATO-Garantien abgesichert wird. Die NATO-Mitgliedschaft könnte z. B. die Bedingung enthalten, dass der Schutz des Bündnisses nur für die zum Aufnahmezeitpunkt von der ukrainischen Regierung kontrollierten Teile der Ukraine gilt. Dieser Ansatz würde den Ukrainern Gewissheit geben, dass etwaige territoriale Zugeständnisse Russland nicht einfach die Möglichkeit geben würden, in weitere Teile des Landes einzudringen.

Dies wäre nicht das erste Mal, dass die NATO ein Land mit ungelösten territorialen Streitigkeiten aufnimmt. Man könnte aber auch andere Ansätze in Betracht ziehen. So könnte der Ukraine eine Art De-facto-Mitgliedschaft in der NATO angeboten werden, oder die Verhandlungsführer könnten sich darauf einigen, die normale militärische Präsenz der NATO in Teilen der Ukraine zu begrenzen, wie dies während des Kalten Krieges in Norwegen der Fall war. Eine umfassende multilaterale Verpflichtung zur Entwicklung der ukrainischen Streitkräfte würde die Abschreckung weiter verbessern.

Natürlich kann die NATO der Ukraine die Mitgliedschaft auch ohne Beteiligung Russlands gewähren. Aber wenn man die Sicherheitsgarantien der NATO in ein Friedensabkommen einbezieht, statt sie separat festzulegen, wäre es für Putin schwieriger, die Russen zu überzeugen, dass sie eine Gefahr für Russlands nationale Sicherheit darstellen. Um es klar zu sagen: Das tun sie nicht; Russlands enormes Atomwaffenarsenal garantiert seine Sicherheit sehr wirksam. Wenn den Russen bewusst wird, dass der Schutz der Ukraine durch die NATO keine Bedrohung für ihr Land bedeutet, werden sie weniger geneigt sein, präventive Angriffskriege zu unterstützen.

NATO-Sicherheitsgarantien für die Ukraine – sei es in Form einer Mitgliedschaft oder einer sonstigen Vereinbarung – würden für die USA und ihre Verbündeten eine große, mit erheblichen Kosten und Risiken verbundene Verpflichtung darstellen. Man sollte diese jedoch gegen die Aussicht auf die Verlängerung eines europäischen Krieges abwiegen, der bereits zu enormen Zerstörungen geführt und Hunderttausende von Menschenleben gekostet hat, und in dem regelmäßig mit einer weiteren Eskalation gedroht wird.

Letztendlich wird es an der Ukraine liegen, zu entscheiden, wie sie die bei Friedensverhandlungen erforderlichen schwierigen und kostspieligen Kompromisse handhaben will. Die Ukrainer sind es, die gezwungen waren, eine unprovozierte russische Invasion abzuwehren; also können nur sie entscheiden, was sie noch zu opfern bereit sind, um die besetzten Gebiete zu befreien. Es ist jedoch Aufgabe der internationalen Gemeinschaft – insbesondere der NATO –, dafür zu sorgen, dass, wenn die Ukraine sich zu Verhandlungen entschließt, ein eventuelles Friedensabkommen glaubwürdig ist und die langfristige Unabhängigkeit und Sicherheit des Landes garantiert.

Wie so viele andere Beobachter des Ukraine-Krieges würden wir es begrüßen, wenn Putin und seine Spießgesellen für den unprovozierten Angriffskrieg, die Tötung von Zivilisten und die Terrorisierung der Bevölkerung vor Gericht gestellt würden. Wir würden es auch begrüßen, wenn alle von Russland besetzten Gebiete wieder unter ukrainische Kontrolle gelangten. Vordringlichste Aufgabe jedoch sind die Beendigung des Krieges und die Gewährleistung der künftigen Sicherheit der ukrainischen Bevölkerung. Dazu können NATO-Sicherheitsgarantien beitragen.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

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