Es gehört zur Zeit zum guten Ton, dem Internationalen Währungsfond die Schuld an der Flut von Finanzkrisen zu geben, die die Schwellenländer seit Mexikos "Tequila-Krise" 1994 erfasst hat. Indem er Länder in Schwierigkeiten immer wieder finanziell unterstütze, habe der IWF Investoren ermutigt, unkalkulierbare Risiken einzugehen und Geld im Ausland anzulegen, ohne zu prüfen, ob die betreffenden Länder es jemals wieder zurückzahlen können. Internationale Finanzhilfe, so die Kritiker des IWF, habe es den Politikern in Ländern von Brasilien bis zur Türkei ermöglicht, schwierige Reformen zu umgehen, mit dem paradoxen Effekt, dass gerade dadurch die Krisen unausweichlich geworden seien.
Dieses Argument - ein gutes Beispiel für das, was Ökonomen einen "moralischen Schaden" nennen - ist eingängig, hat aber einen Haken. Tatsächlich sind die ausländischen Investitionen in den Schwellenländern bereits nach 1995 zurückgegangen, erreichten mit der Asienkrise von 1997 einen Tiefststand und sind seitdem nicht wieder angestiegen - obwohl der IWF seit dieser Zeit viele der Finanzhilfen eingeleitet hat, die das Investorenverhalten angeblich erst verzerrt haben!
Zudem verlagerte sich die Auslandsinvestition in den Schwellenländern nach 1994 auf Produktionsanlagen, Immobilien, die Dienstleistungsindustrie etc.. Im Gegensatz zu ausländischen Obligationären, die einfach aussteigen und sich aus dem Staub machen konnten, sobald sie sich sicher waren, dass der IWF die Zahlungen garantierte, haben diese Investoren große Verluste erlitten, als die Krisen ausbrachen - man kann also kaum behaupten, dass sie von den Finanzhilfen profitiert hätten.
Seit Anfang der 90er Jahre, als Privatkredite an Schwellenländer in die Höhe schossen und den jährlichen Durchschnitt von 1970 bis 1989 verzehnfachten, ist die Hauptursache für die Kettenreaktion der finanziellen Zusammenbrüche nicht der moralische Schaden, sondern der Schaden, der durch die Globalisierung entsteht. Es begann nach 1996, als ausländische Privatinvestoren schneller, als sie in Schwellenländer eingefallen waren, wieder aus ihnen flüchteten. Thailand zum Beispiel musste trotz anhaltenden und soliden Wirtschaftswachstums einen Kapitalabfluss hinnehmen, der 26% des BIP entsprach.
Warum konnten sogar relativ gut funktionierende Volkswirtschaften so schnell nach unten gezogen werden? Es ist anzunehmen, dass die Investoren den zunächst steilen Anstieg bei der Kreditvergabe nach 1989 einer fundierten Wirtschaftspolitik in den Schwellenländern zuschrieben. Während der gesamten 90er Jahre hat das "Establishment" in Washington diese Annahme bestärkt, indem es den allzu optimistischen Glauben an die Stetigkeit großer Kreditflüsse ermutigte.
Schließlich verstärkte jedoch jede Krise die Sorgen der Investoren über das Risiko der Schwellenländer. Schlimmer noch, sie änderten ihre Meinung von einem Tag auf den anderen, da es keine langjährige Erfahrung mit der Verschuldung von Schwellenländer gab. Das wiederum trieb die Zinssätze für die Verschuldung dieser Länder in die Höhe, als handele es sich um Vermögenswerte . Da die Kosten für eine Kreditaufnahme in allen Schwellenländern stiegen - auch bei Ländern mit einer grundsätzlich gesunden Wirtschaft - stieg auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Krise wie in einem Teufelskreis ständig wiederkehren würde.
At a time of escalating global turmoil, there is an urgent need for incisive, informed analysis of the issues and questions driving the news – just what PS has always provided.
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Wenn dies schon alles wäre, wäre die Frage, was an der Wurzel der Kettenreaktion der finanziellen Zusammenbrüche liegt, von zweitrangiger Bedeutung. Gleich, ob moralischer oder Globalisierungsschaden, in beiden Fällen könnte das wiederholte Auftreten der Finanzkrisen durch eine sorgfältigere Kreditrationalisierung seitens der Investoren höchstwahrscheinlich reduziert werden.
Aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Denn während hinter dem Argument des moralischen Schadens das orthodoxe Gebot "Du sollst nicht intervenieren" steckt, unterstreicht das des Globalisierungsschadens das Marktversage . Anders als der moralische Schaden betont das Marktversagen Umstände, in denen staatliche Intervention sozial wünschenswert und wirtschaftlich gerechtfertigt wäre. Dass das Versagen der internationalen Kapitalmärkte nach 1996 zu einem plötzlichen und verheerenden Kapitalabfluss führte, ist nur ein Teil der Wahrheit.
Betrachten wir einmal andere verheerende Ereignisse, die nicht versichert werden (und oft genug nicht versichert werden können). In den Vereinigten Staaten lösen Überschwemmungen, Orkane, Erdbeben und Wirbelstürme sofortige Katastrophenschutzmaßnahmen auf nationaler Ebene aus. Die Kosten für die Vorbehalte der Öffentlichkeit gegen Flugreisen nach den Terroranschlägen des 11. September wären gesamtwirtschaftlich gesehen weitaus höher gewesen, hätte man den Zusammenbruch der Flugindustrie zugelassen.
Leider haben viele Schwellenländer schwache Regierungen, die in solchen Situationen keine glaubhafte Politik für die finanzielle Intervention formulieren können. Ein typisches Beispiel ist Nicaragua, ein Land dessen Handelsbedingungen sich nach dem jüngsten Kollaps des Kaffeepreises aufgrund der Rekordernte in Vietnam abrupt verschlechtert haben. Wenn dies in einem Land passiert, in dem nur wenige andere Wirtschaftszweige auf dem internationalen Markt konkurrenzfähig sind und so für Ausgleich sorgen können, ist das Ergebnis gleichbedeutend mit einer Naturkatastrophe. Die Regierung muss mit weniger Staatseinnahmen rechnen und wird wahrscheinlich neue Darlehen aufnehmen, ohne sich festlegen zu können, wie sie getilgt werden können.
Wer bezahlt also letztendlich die Rechnung? In dem Moment, in dem institutionelle Intervention gefordert wird, gehen alle in Deckung. Investitionsentscheidungen werden auf die lange Bank geschoben, was langsameres Wachstum und sogar eine instabile fiskale Position zur Folge hat. In einer offenen Wirtschaft können Ängste vor Steuererhöhungen Kapitalflucht und einen Run auf die nationalen Banken auslösen, wodurch noch höhere Zahlungen seitens des Staates erforderlich werden. Schwache Regierungen werden täglich schwächer.
Aber sogar die schwachen Regierungen sind nicht vollständig hilflos. Sie können die Fälligkeiten ihrer Darlehen hinauszögern, indem sie die Kapitalzuflüsse kontrollieren, wie es Chile und Kolumbien getan haben. Sie können auch Handelsabkommen mit stärkeren Volkswirtschaften abschließen. Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen hat möglicherweise dazu beigetragen, dass sich Mexiko nachhaltig von der Tequila-Krise erholt hat.
Die Tequila-Krise beweist, dass schnelles multilaterales Handeln - in diesem Fall ein 50 Milliarden-Dollar-Paket zur Refinanzierung kurzfristiger Schulden unter dem Marktpreis - die Auslösung der Kettenreaktion wirksam bekämpfen kann. Solche Pakete geben den Regierungen die Luft zum Atmen, die sie in einer Krise brauchen, um langfristige Reformen einzuleiten. So war es in Thailand und Süd-Korea, die beide schnell reagierten, um ihren Bankensektor nach Erhalt der Finanzhilfe des IWF zu stärken.
Natürlich ist die Unterstützung durch den IWF kein Allheilmittel. Schwellenländer haben per definitionem schwache Märkte. Genau aus diesem Grund ist zu wenig , nicht zu viel multilaterale Intervention das Problem.
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US President Donald Trump’s import tariffs have triggered a wave of retaliatory measures, setting off a trade war with key partners and raising fears of a global downturn. But while Trump’s protectionism and erratic policy shifts could have far-reaching implications, the greatest victim is likely to be the United States itself.
warns that the new administration’s protectionism resembles the strategy many developing countries once tried.
It took a pandemic and the threat of war to get Germany to dispense with the two taboos – against debt and monetary financing of budgets – that have strangled its governments for decades. Now, it must join the rest of Europe in offering a positive vision of self-sufficiency and an “anti-fascist economic policy.”
welcomes the apparent departure from two policy taboos that have strangled the country's investment.
Es gehört zur Zeit zum guten Ton, dem Internationalen Währungsfond die Schuld an der Flut von Finanzkrisen zu geben, die die Schwellenländer seit Mexikos "Tequila-Krise" 1994 erfasst hat. Indem er Länder in Schwierigkeiten immer wieder finanziell unterstütze, habe der IWF Investoren ermutigt, unkalkulierbare Risiken einzugehen und Geld im Ausland anzulegen, ohne zu prüfen, ob die betreffenden Länder es jemals wieder zurückzahlen können. Internationale Finanzhilfe, so die Kritiker des IWF, habe es den Politikern in Ländern von Brasilien bis zur Türkei ermöglicht, schwierige Reformen zu umgehen, mit dem paradoxen Effekt, dass gerade dadurch die Krisen unausweichlich geworden seien.
Dieses Argument - ein gutes Beispiel für das, was Ökonomen einen "moralischen Schaden" nennen - ist eingängig, hat aber einen Haken. Tatsächlich sind die ausländischen Investitionen in den Schwellenländern bereits nach 1995 zurückgegangen, erreichten mit der Asienkrise von 1997 einen Tiefststand und sind seitdem nicht wieder angestiegen - obwohl der IWF seit dieser Zeit viele der Finanzhilfen eingeleitet hat, die das Investorenverhalten angeblich erst verzerrt haben!
Zudem verlagerte sich die Auslandsinvestition in den Schwellenländern nach 1994 auf Produktionsanlagen, Immobilien, die Dienstleistungsindustrie etc.. Im Gegensatz zu ausländischen Obligationären, die einfach aussteigen und sich aus dem Staub machen konnten, sobald sie sich sicher waren, dass der IWF die Zahlungen garantierte, haben diese Investoren große Verluste erlitten, als die Krisen ausbrachen - man kann also kaum behaupten, dass sie von den Finanzhilfen profitiert hätten.
Seit Anfang der 90er Jahre, als Privatkredite an Schwellenländer in die Höhe schossen und den jährlichen Durchschnitt von 1970 bis 1989 verzehnfachten, ist die Hauptursache für die Kettenreaktion der finanziellen Zusammenbrüche nicht der moralische Schaden, sondern der Schaden, der durch die Globalisierung entsteht. Es begann nach 1996, als ausländische Privatinvestoren schneller, als sie in Schwellenländer eingefallen waren, wieder aus ihnen flüchteten. Thailand zum Beispiel musste trotz anhaltenden und soliden Wirtschaftswachstums einen Kapitalabfluss hinnehmen, der 26% des BIP entsprach.
Warum konnten sogar relativ gut funktionierende Volkswirtschaften so schnell nach unten gezogen werden? Es ist anzunehmen, dass die Investoren den zunächst steilen Anstieg bei der Kreditvergabe nach 1989 einer fundierten Wirtschaftspolitik in den Schwellenländern zuschrieben. Während der gesamten 90er Jahre hat das "Establishment" in Washington diese Annahme bestärkt, indem es den allzu optimistischen Glauben an die Stetigkeit großer Kreditflüsse ermutigte.
Schließlich verstärkte jedoch jede Krise die Sorgen der Investoren über das Risiko der Schwellenländer. Schlimmer noch, sie änderten ihre Meinung von einem Tag auf den anderen, da es keine langjährige Erfahrung mit der Verschuldung von Schwellenländer gab. Das wiederum trieb die Zinssätze für die Verschuldung dieser Länder in die Höhe, als handele es sich um Vermögenswerte . Da die Kosten für eine Kreditaufnahme in allen Schwellenländern stiegen - auch bei Ländern mit einer grundsätzlich gesunden Wirtschaft - stieg auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Krise wie in einem Teufelskreis ständig wiederkehren würde.
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Aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Denn während hinter dem Argument des moralischen Schadens das orthodoxe Gebot "Du sollst nicht intervenieren" steckt, unterstreicht das des Globalisierungsschadens das Marktversage . Anders als der moralische Schaden betont das Marktversagen Umstände, in denen staatliche Intervention sozial wünschenswert und wirtschaftlich gerechtfertigt wäre. Dass das Versagen der internationalen Kapitalmärkte nach 1996 zu einem plötzlichen und verheerenden Kapitalabfluss führte, ist nur ein Teil der Wahrheit.
Betrachten wir einmal andere verheerende Ereignisse, die nicht versichert werden (und oft genug nicht versichert werden können). In den Vereinigten Staaten lösen Überschwemmungen, Orkane, Erdbeben und Wirbelstürme sofortige Katastrophenschutzmaßnahmen auf nationaler Ebene aus. Die Kosten für die Vorbehalte der Öffentlichkeit gegen Flugreisen nach den Terroranschlägen des 11. September wären gesamtwirtschaftlich gesehen weitaus höher gewesen, hätte man den Zusammenbruch der Flugindustrie zugelassen.
Leider haben viele Schwellenländer schwache Regierungen, die in solchen Situationen keine glaubhafte Politik für die finanzielle Intervention formulieren können. Ein typisches Beispiel ist Nicaragua, ein Land dessen Handelsbedingungen sich nach dem jüngsten Kollaps des Kaffeepreises aufgrund der Rekordernte in Vietnam abrupt verschlechtert haben. Wenn dies in einem Land passiert, in dem nur wenige andere Wirtschaftszweige auf dem internationalen Markt konkurrenzfähig sind und so für Ausgleich sorgen können, ist das Ergebnis gleichbedeutend mit einer Naturkatastrophe. Die Regierung muss mit weniger Staatseinnahmen rechnen und wird wahrscheinlich neue Darlehen aufnehmen, ohne sich festlegen zu können, wie sie getilgt werden können.
Wer bezahlt also letztendlich die Rechnung? In dem Moment, in dem institutionelle Intervention gefordert wird, gehen alle in Deckung. Investitionsentscheidungen werden auf die lange Bank geschoben, was langsameres Wachstum und sogar eine instabile fiskale Position zur Folge hat. In einer offenen Wirtschaft können Ängste vor Steuererhöhungen Kapitalflucht und einen Run auf die nationalen Banken auslösen, wodurch noch höhere Zahlungen seitens des Staates erforderlich werden. Schwache Regierungen werden täglich schwächer.
Aber sogar die schwachen Regierungen sind nicht vollständig hilflos. Sie können die Fälligkeiten ihrer Darlehen hinauszögern, indem sie die Kapitalzuflüsse kontrollieren, wie es Chile und Kolumbien getan haben. Sie können auch Handelsabkommen mit stärkeren Volkswirtschaften abschließen. Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen hat möglicherweise dazu beigetragen, dass sich Mexiko nachhaltig von der Tequila-Krise erholt hat.
Die Tequila-Krise beweist, dass schnelles multilaterales Handeln - in diesem Fall ein 50 Milliarden-Dollar-Paket zur Refinanzierung kurzfristiger Schulden unter dem Marktpreis - die Auslösung der Kettenreaktion wirksam bekämpfen kann. Solche Pakete geben den Regierungen die Luft zum Atmen, die sie in einer Krise brauchen, um langfristige Reformen einzuleiten. So war es in Thailand und Süd-Korea, die beide schnell reagierten, um ihren Bankensektor nach Erhalt der Finanzhilfe des IWF zu stärken.
Natürlich ist die Unterstützung durch den IWF kein Allheilmittel. Schwellenländer haben per definitionem schwache Märkte. Genau aus diesem Grund ist zu wenig , nicht zu viel multilaterale Intervention das Problem.