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Die Krise der indischen Oligarchie

NEU DELHI – Die engen Beziehungen des indischen Multimilliardärs Gautam Adani zu Premierminister Narendra Modi haben in den letzten zwei Jahrzehnten dazu beigetragen, dass der Geschäftsmann aus Gujarati zum reichsten Menschen Asiens wurde. Adanis kometenhafter Aufstieg, der den seines politischen Mentors in mancher Hinsicht in den Schatten stellt, ließ ihn auch zur Galionsfigur der indischen Wachstumsgeschichte werden – bis Vorwürfe des Betrugs und der Aktienmanipulation sein nach ihm benanntes Imperium ins Wanken brachten. Angesichts eines Börsenwertverlusts seines Firmenkonglomerats im Ausmaß von 110 Milliarden Dollar innerhalb weniger Tage wurde Adani zu einem warnenden Beispiel vor den Gefahren der Günstlingswirtschaft in Modis Indien.  

Die Partnerschaft zwischen Adani und Modi reicht bis in das Jahr 2002 zurück, als Modi – damals Regierungschef des Bundesstaates Gujarat – sich mit heftiger Kritik konfrontiert sah, weil es ihm nicht gelungen war, einen antimuslimischen Mob einzudämmen, der im Bundesstaat über eintausend Menschen getötet hatte. Nach diesen Massakern wurde Modi von den Vereinigten Staaten mit einem Einreiseverbot belegt und Spitzenvertreter der indischen Wirtschaft kehrten ihm großteils den Rücken. Nur Adani unterstützte Modi und seine Bharatiya Janata Party (BJP) weiterhin und wurde für seine Loyalität großzügig belohnt. In den darauffolgenden zehn Jahren wuchs Adanis Konzern in rasantem Tempo, erhielt zahlreiche staatliche Aufträge und expandierte in die Bereiche Import und Export, Kohlehandel und Bergbau, Erschließung von Öl- und Gasfeldern sowie Infrastruktur.  

Im Laufe der Jahre wurde die Beziehung zunehmend symbiotisch. Als Modi 2014 zum Premierminister gewählt wurde, flog er in Adanis Privatjet nach Delhi. Die Nähe zu Modi verhalf Adanis Unternehmen zu lukrativen Regierungsaufträgen sowie öffentlichen und privaten Krediten für Projekte in Indien und anderswo, von denen manche höchst umstritten waren. Immer wieder lockerte die Regierung unter Modi Vorschriften oder änderte Regeln in einer Weise, die den Unternehmen Adanis zugutekam. So etwa erklärte die Regierung Adanis Kraftwerk in Godda im Jahr 2017 zu einer Sonderwirtschaftszone. Dafür sollen die Bestimmungen so abgeändert worden sein, dass die Adani Group in den Genuss eines  Geldsegens im Ausmaß von 5 Milliarden Rupien (60 Millionen Dollar) kam. Im Jahr 2019 übertrug Modis Regierung Adani die Rechte für den Betrieb von sechs frisch privatisierten Flughäfen, obwohl das Unternehmen über keinerlei Erfahrung in diesem Sektor verfügte.

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