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Desinvestitionen weg aus Israel bringen keinen Frieden

WASHINGTON, D.C.: Die Terroranschläge der Hamas vom 7. Oktober haben – insbesondere vor dem Hintergrund der im Holocaust kulminierenden Geschichte der Judenverfolgungen – zu Recht enorme Sympathien für die Menschen in Israel geweckt. Doch auch das Elend der Zivilbevölkerung in Gaza seit den Anschlägen ist erschütternd. Beide Seiten müssen eine sofortige Einstellung der Feindseligkeiten unterstützen und darauf ernsthafte Bemühungen zur Lösung der grundlegenden Probleme folgen lassen.

Dies lässt sich nicht erreichen, indem Universitäten ihre israelischen Investments abstoßen – die Hauptforderung von Studierenden überall in den USA. Stattdessen würden Desinvestitionen die Einkünfte aus Stiftungsvermögen, die die Universitäten für Finanzhilfen und Forschungsaktivitäten nutzen, deutlich verringern. Genauso wichtig: Desinvestitionen würden den Daseinszweck einer Universität untergraben – das Streben nach Wahrheit. Während Mitarbeiter und Studierende politische Positionen einnehmen und friedlich demonstrieren können, sollten die Universitäten unpolitisch bleiben.

Statt ihr Anliegen zu fördern hätten die protestierenden Studierenden, wenn sie ihre Universitäten zum Abzug von deren Investments aus Israel überzeugt hätten, ihren Bildungseinrichtungen unzweifelhaft geschadet. Universitäten ermöglichen Diskussionen und Debatten über strittige Themen, doch dies erfordert institutionelle Neutralität. Sich auf die Seite der Protestierenden zu stellen hätte die Meinungsfreiheit an den Universitäten eingeschränkt.

Darüber hinaus wären die finanziellen Kosten hoch gewesen. Die Stiftungsvermögen der Universitäten bestehen aus einer Vielzahl häufig zweckgebundener Schenkungen u. a. für Stipendien, zur Finanzierung von Forschungsvorhaben, für Sportanlagen und vieles mehr. Die Einkünfte aus Stiftungsvermögen decken zudem einen Teil der Studiengebühren vieler Colleges und Universitäten ab, was die den Studierenden in Rechnung gestellten Beträge senkt. Die Rice University etwa erhob jahrzehntelang gar keine Studiengebühren, da ihre Einkünfte aus Stiftungsvermögen die kompletten Ausbildungskosten aller Studierenden deckten. In 2022 verwendeten die vierjährigen Colleges und Universitäten in den USA rund 50 % ihrer Einkünfte aus Stiftungsvermögen für Finanzhilfen. Doch wenn erst einmal politische Kriterien in die Investmententscheidungen einfließen, könnten potenzielle Stifter von künftigen Schenkungen Abstand nehmen.

Die Entscheidung, israelische Investments abzustoßen, wäre für die Verwalter der Stiftungsvermögen – deren Aufgabe darin besteht, den Wert des Vermögens zu erhalten und finanzielle Stabilität zu gewährleisten – in vieler Hinsicht problematisch. Es gibt in den USA eine Vielzahl von Bundes- und bundesstaatlichen Gesetzen, die Boykottmaßnahmen gegen Länder verbieten, zu denen die USA freundschaftliche Beziehungen unterhalten. Darüber hinaus verwenden die Verwalter Aktienindizes wie den MSCI All Country World Index und den S&P 500 als Bezugsmaß für ihre Investments. Ersterer enthält 0,25 % Aktien von Unternehmen mit Sitz in Israel, und Letzterer gar keine, was nahelegt, dass die Portfolios der Universitäten nur in minimalem Umfang in israelischen Unternehmen investiert sind.

Ein wichtiger Grund, warum Desinvestitionen selbst dort, wo sie möglich wären, kostspielig wären, ist, dass Stiftungen ihre Gelder zunehmend externen Vermögensverwaltern anvertrauen, die das Geld verschiedener Kunden für Investments bündeln. Die Universitäten müssten für Desinvestitionen aus den betreffenden Aktien ihre Gesamtbestände an derartigen Fonds veräußern und Beschränkungen unterliegende Bestandteile des Stiftungsvermögens, die sie nicht verkaufen können, isolieren. Sie müssten zudem zusätzliche Manager einstellen, um ausschließlich in Wertpapiere ohne problematische Aktivitäten zu investieren, was vermutlich multinationale Konzerne – einschließlich von Technologieunternehmen – mit Niederlassungen in Israel ausschließen würde.

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Israel einbeziehende Investments auszusondern würde die künftigen Studierenden zur Verfügung stehenden Mittel fast mit Sicherheit verringern. Selbst wenn bei der Veräußerung der Bestände keine Verluste anfielen, würden die Kosten für die Verwaltung der Stiftungsvermögen der Universitäten deutlich steigen; einige der wachstumsstärksten Unternehmen der Welt würden womöglich aus ihren Portfolios ausgeschlossen, und Stifter könnten von weiteren Schenkungen absehen. Und angenommen, eine ihre Investments abstoßende Universität hielte eine große Beteiligung an einem Unternehmen mit Verbindung nach Israel, würden andere Aktionäre ihre Aktien in Erwartung eines Ausverkaufs abstoßen und so zusätzliche Verluste verursachen.

Das US-Hochschulsystem ist seit langem eines der besten der Welt: Amerikanische Universitäten belegen 16 der obersten 25 Plätze in den jüngsten Times Higher Education World University Rankings (nur zwei chinesische Universitäten schafften das). Ironischerweise wird dieses System nun zur selben Zeit angegriffen, zu der die USA sich zunehmend um eine wirtschaftliche und militärische Stärkung ihrer Wettbewerbsposition bemühen. Es gibt immer Raum für Verbesserungen, doch das Bekenntnis der höheren Bildung zu offenem Dialog und dazu, Dinge zu hinterfragen, aufzugeben, würde ein wichtiges nationales Gut genau in dem Moment schwächen, in dem man es stützen sollte.

Studierende, die zu einer Beendigung des Kriegs zwischen Israel und der Hamas beitragen möchten, müssen sich bewusst machen, dass Desinvestitionen nicht der richtige Weg dafür sind. Tatsächlich kann eine Bewahrung und Stärkung der US-Universitäten indirekt einen Beitrag zu einer bleibenden politischen Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts leisten, indem sie jungen Menschen eine Bildung verschafft und sie in die Lage versetzt, ihre Ziele zu erreichen. Die öffentliche und private Unterstützung für fortgesetzte Spitzenleistungen und für mehr Finanzhilfen in der höheren Bildung muss daher weit oben auf der Agenda stehen. In diesem Kontext ergibt es keinen Sinn, eine der Quellen amerikanischer Stärke zugunsten einer Politik zu schwächen, die das Kriegsergebnis nicht beeinflussen kann.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

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