varoufakis84_Yuichiro ChinoGetty Images_inflation Yuichiro Chino/Getty Images

Eine progressive Geldpolitik ist die einzige Alternative

ATHEN – Mit Rückgang der Coronapandemie in den hochentwickelten Volkswirtschaften ähneln deren Notenbanken zunehmend dem sprichwörtlichen Esel, der, da er gleichermaßen hungrig wie durstig ist, verhungert und verdurstet, da er sich nicht zwischen Heu und Wasser entscheiden konnte. Hin und hergerissen zwischen Inflations- und Deflationsangst, verfolgen die Geldpolitiker derzeit einen kostspieligen Ansatz des Abwartens. Nur eine progressive Neuinterpretation ihrer Tools und Ziele kann ihnen helfen, im Gefolge der Pandemie eine gesellschaftlich nützliche Rolle zu spielen.

Die Notenbanker hatten früher einen einzigen Steuerungshebel: die Zinsen. Diesen Hebel drückten sie nach unten, um eine lahmende Wirtschaft neu zu beleben, oder nach oben, um die Inflation im Zaum zu halten (häufig auf Kosten einer dadurch ausgelösten Rezession). Den richtigen Zeitpunkt für diese Schritte zu bestimmen und zu entscheiden, wie stark man den Hebel bewegen sollte, war nie einfach, aber zumindest gab es nur eine mögliche Maßnahme: den Hebel nach unten oder nach oben zu drücken. Heute ist die Arbeit der Notenbanker doppelt so kompliziert, weil sie seit 2009 zwei Hebel haben, mit denen sie hantieren.

Im Gefolge der globalen Finanzkrise von 2008 wurde ein zweiter Hebel nötig, weil der ursprüngliche Hebel sich verklemmt hatte: Obwohl man ihn weitestmöglich nach unten gedrückt und die Zinsen auf null oder sogar in negatives Territorium gezwungen hatte, stagnierte die Wirtschaft. Dem Beispiel der Bank von Japan folgend schufen die wichtigen Notenbanken (angeführt von der US Federal Reserve und der Bank von England) daher einen zweiten Hebel, der als quantitative Lockerung bekannt wurde. Diesen nach oben zu drücken führte zur Geldschöpfung zum Kauf von Wertpapieren von den Handelsbanken, in der Hoffnung, dass die Banken dieses neue Geld direkt in die Realwirtschaft pumpen würden. Wenn es dann zur Inflation käme, würden die Notenbanken lediglich den Hebel nach unten drücken müssen, indem sie die Wertpapierkäufe zurückfahren.

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