bildt118_OLEKSII FILIPPOVSPUTNIKAFP via Getty Images_putin Oleksii Filippov/Sputnik/AFP via Getty Images

Putins Holzweg

STOCKHOLM – In seiner jährlichen Pressekonferenz machte der russische Präsident Wladimir Putin deutlich, dass er erst dann zu einer Friedensregelung mit der Ukraine bereit sei, wenn er seine Ziele erreicht hat, und die haben sich seit Beginn seiner groß angelegten Invasion am 24. Februar 2022 nicht geändert. Er möchte die Entmilitarisierung der Ukraine, das heißt, Russland soll die militärische und sicherheitsrelevante Kontrolle des ukrainischen Staatsgebiets übernehmen. Darüber hinaus fordert er eine „Entnazifizierung“ des Landes und meint damit, dass die Ukraine unter die politische Kontrolle Russlands gestellt werden soll. Mit anderen Worten: Russland würde sich die Ukraine einverleiben, so dass diese nicht mehr als unabhängiger Nationalstaat existieren könnte.

Putin hat immer wieder erklärt, dass es keine historische Rechtfertigung für die Ukraine gäbe, da sie Gebiete umfasse, die lange Zeit zum russischen Kaiserreich gehört hatten. Doch Ähnliches kann man heute von Ländern in ganz Europa sagen. Viele von ihnen standen früher unter dem Joch des osmanischen Reiches, der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie sowie des deutschen oder des russischen Kaiserreichs. Und weltweit wurde die große Mehrheit der 193 Länder, die heute die Vereinten Nationen bilden, erst nach dem Zweiten Weltkrieg unabhängig. In der historischen Zeitspanne, mit der sich Putin beschäftigt, existierten viele der heutigen Länder nicht einmal in der Vorstellung der Menschen.

Das Problem Putins besteht darin, dass das Zeitalter der Großreiche längst vorbei ist. Starrsinnig weigert er sich zu akzeptieren, dass wir heute im Zeitalter der Nationalstaaten leben, mit einer internationalen Ordnung, die auf dem in der UN-Charta verankerten Grundsatz der territorialen Integrität beruht, der jede gewaltsame Neuziehung von Staatsgrenzen verbietet. Stattdessen fantasiert er von der Wiedererrichtung des Russischen Reiches durch die Einverleibung der Ukraine und Belarus (möglicherweise gefolgt von zahlreichen anderen Nachbarländern).

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