LONDON – Viele Regierungen, die einen umweltfreundlichen und integrativen Aufschwung nach der Pandemie fördern wollen, machen sich das Schlagwort von einem „besseren Wiederaufbau“ zu eigen. Bisher hat sich die Politik darauf konzentriert, die öffentlichen Ausgaben zu erhöhen, um so Herausforderungen in den Bereichen Klima- und Umwelt anzugehen und gleichzeitig Arbeitsplätze für Benachteiligte zu schaffen. Fiskalkonservative befürchten jedoch eine ansteigende Defizitwelle, die die Volkswirtschaften in Schulden ertränken und zu einer Gegenreaktion auf den Finanzmärkten führen wird.
Angesichts der noch immer herrschenden Pandemie ist es kein Wunder, dass die Politik nur sehr ungern über Steuererhöhungen spricht, um die Stimmung nicht noch weiter zu drücken. Doch der von der Politik nach eigenem Bekunden angestrebte sozial nachhaltige Wandel erfordert auch Reformen auf der Einnahmenseite.
Im Moment dreht sich die Steuerdebatte eher um die Zusammensetzung der Steuern als um ihre Höhe. Es geht um klügere, nicht um höhere Steuern. Der springende Punkt besteht darin, von der Besteuerung der Arbeit zur Besteuerung des Ressourcenverbrauchs überzugehen. Die Politik sollte daher die Einführung progressiver Verbrauchsteuern auf ressourcenintensive Güter in Betracht ziehen.
Diese Idee ist nicht neu. Ökonominnen und Ökonomen argumentieren seit langem, dass die Finanzierung von Einkommensteuersenkungen durch höhere Steuern auf Ressourcenverbrauch und Umweltschäden effizienter und gerechter wäre. Derartige Steuern würden das Versagen des Marktes beheben, wenn es darum geht, Umweltverschmutzer für die von ihnen verursachten Kosten für die Gesellschaft zu bestrafen.
Maßgebliche Interessensgruppen haben derartige Vorschläge allerdings jahrzehntelang abgewehrt. Doch nun, da wir die zahlreichen Diskontinuitäten der Pandemie überwinden, sehen wir Ausmaß und Umfang staatlicher Maßnahmen, Geschäftsmodelle und unseren persönlichen Lebensstil in einem grundlegend neuen Licht. Jetzt besteht die echte Chance auf einen Wandel.
Eine effiziente Möglichkeit, die globale Erwärmung einzudämmen, bestünde in der Anhebung des Preises für CO2-Emissionen durch die Einführung einer CO2-Steuer oder die Begrenzung des Angebots an handelbaren Emissionszertifikaten, während man gleichzeitig die langjährigen Subventionen für fossile Brennstoffe auslaufen lässt. Dieses Thema wird im Vorfeld des Uno-Klimagipfels COP26 im November in Glasgow Gegenstand zahlreicher Diskussionen sein.
Doch die umfassenderen ökologischen und sozialen Herausforderungen im Rahmen der Agenda vom „besseren Wiederaufbau“ gehen über die Notwendigkeit eines beschleunigten Wechsels von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien hinaus. An dieser Stelle kommen grüne Verbrauchsteuern ins Spiel.
Obwohl die CO2-Bepreisung über die Lieferketten die Preise für ressourcenintensive Güter in die Höhe treiben würde, wären die Auswirkungen auf Produktion, Nutzung und Entsorgung von nichtenergetischen Ressourcen gedämpft und indirekt. Aus Verbrauchersicht sind CO2-Emissionen ein unsichtbarer Feind. Transparenter und verständlicher wären da direkte Verbrauchsteuern, die sich eindeutig auf jene Schäden beziehen, die aufgrund der von Menschen gekauften, genutzten und entsorgten Gütern entstehen.
Die Verknüpfung von Ökosteuern mit dem Gewicht und der Größe von Gütern könnte eine klarere Verbindung zum Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen herstellen und würde dazu beitragen, soziale Normen zu verändern. Menschen, die größere Autos fahren oder in größeren Häusern leben, würden somit mehr bezahlen, wodurch sich kleinere Optionen attraktiver gestalten. Das würde Hersteller ermutigen, für Innovationen zu sorgen, weniger ressourcenintensive Methoden der „Kreislaufwirtschaft” einzusetzen und Leistungen anzubieten, die es Verbrauchern ermöglichen, Dinge gemeinsam zu nutzen, anstatt alles selbst zu besitzen.
Auch das ist keine neue Idee: der Ökonom E.F. Schumacher unterstützte sie bereits 1973 in seinem Buch Small Is Beautiful. Die Rückkehr zum menschlichen Maß. Seitdem hat sich vor allem in Amerika die Liebe zum Imposanten entwickelt. Doch eine Welt, in der jeder Haushalt eine Villa bewohnt und einen zweieinhalb Tonnen schweren SUV besitzt, können und sollten wir natürlich nicht anstreben. Die Erhebung progressiv steigender Steuern auf den Kauf und die Nutzung großer langlebiger Konsumgüter wie Autos und Häuser würde die Verbraucher dazu veranlassen, ein nachhaltigeres Konsumverhalten an den Tag zu legen.
Freilich würden diese höheren Gütersteuern, wie jede Steuererhöhung, auf starken Widerstand stoßen, aber die Begründung dafür wäre klar und - von entscheidender Bedeutung - fair. Der progressive Charakter der Steuern impliziert überdies, dass Haushalte mit höherem Einkommen, die auch mehr große, ressourcenintensive Güter konsumieren, eine überproportional hohe Steuerlast zu tragen hätten.
Einer Schätzung zufolge waren im Jahr 2015 die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung für 52 Prozent der kumulierten CO2-Emissionen verantwortlich, wobei allein 15 Prozent der Emissionen auf die obersten 1 Prozent entfielen. Den Reichen könnte man die hohen Steuern auf ihren Verbrauch von Gütern und Energie als schmackhaftere Option präsentieren als höhere Einkommen- oder Vermögensteuern.
Die Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns haben uns ein Gefühl für die Gefahren des exzessiven Konsums und der übermäßigen Mobilität vermittelt. Obwohl die Menschen einige ihrer neuen erzwungenen Gewohnheiten ablegen werden, sobald die Pandemie vorbei ist, werden viele auch erkennen, dass ihrem Glück und ihrem Wohlbefinden besser gedient ist, wenn sie mit anderen in Kontakt treten und nicht immer mehr Dinge anhäufen.
Ein noch wirkungsvollerer Weg für Regierungen, sich die Unterstützung für neue Verbrauchsteuern zu sichern, wäre ein „Grüner Grand Bargain“ mit der Öffentlichkeit, um die Steuereinnahmen für eine beschleunigte Durchführung der Wiederaufbau-Agenda zu verwenden. Man könnte mit diesen Einnahmen beispielsweise eine Senkung der Steuern auf Arbeit finanzieren, insbesondere für die Geringverdiener. Damit hätte dieses Paket doppelt progressiven Charakter.
Eine andere Möglichkeit wäre eine „CO2-Dividende“. Dabei würden Haushalte ein durch die Einnahmen aus der Ökosteuer finanziertes Pauschaleinkommen erhalten, von dem ärmere Haushalte überproportional profitieren würden.
Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, die neuen Einnahmen für eine Senkung der Steuern auf Dienstleistungen und grüne Produkte herzunehmen oder die Subventionen dafür zu erhöhen. Pandemiebedingte Lockdowns haben lokale Unternehmen und Dienstleistungsbetriebe, insbesondere im Restaurant-, Freizeit- und Hotelgewerbe, schwer in Bedrängnis gebracht.
In ähnlicher Weise könnten Regierungen einen Teil der Steuereinnahmen zur Finanzierung umweltfreundlicher Investitionen verwenden, etwa durch die Unterstützung von Haushalten, die in Elektrofahrzeuge (insbesondere kleine Fahrzeuge) und Hausenergieanlagen investieren. Ebenso könnten die Mittel auch für Investitionen von Unternehmen und Staaten in die notwendige Infrastruktur sowie Forschung und Entwicklung verwendet werden.
Darüber hinaus bleibt die Fiskalpolitik in den führenden Volkswirtschaften der Welt bis auf weiteres expansiv. Das bedeutet, dass grüne Verbrauchsteuern im Laufe mehrerer Jahre schrittweise eingeführt werden könnten, wobei die Möglichkeit besteht, die aufgrund dieser Steuereinnahmen ermöglichten Ausgaben in Form einer Anzahlung auf den Grünen Grand Bargain vorzuziehen.
Dies würde zwar die kurzfristigen Staatsdefizite erhöhen, aber einen nachhaltigeren Aufschwung in Gang setzen. Da sich die Politik mehr denn je auf die Bedürfnisse der Menschen und des Planeten konzentriert, ist nun der geeignete Zeitpunkt für eine ehrgeizigere Agenda zur Ökologisierung des Steuersystems.
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier
LONDON – Viele Regierungen, die einen umweltfreundlichen und integrativen Aufschwung nach der Pandemie fördern wollen, machen sich das Schlagwort von einem „besseren Wiederaufbau“ zu eigen. Bisher hat sich die Politik darauf konzentriert, die öffentlichen Ausgaben zu erhöhen, um so Herausforderungen in den Bereichen Klima- und Umwelt anzugehen und gleichzeitig Arbeitsplätze für Benachteiligte zu schaffen. Fiskalkonservative befürchten jedoch eine ansteigende Defizitwelle, die die Volkswirtschaften in Schulden ertränken und zu einer Gegenreaktion auf den Finanzmärkten führen wird.
Angesichts der noch immer herrschenden Pandemie ist es kein Wunder, dass die Politik nur sehr ungern über Steuererhöhungen spricht, um die Stimmung nicht noch weiter zu drücken. Doch der von der Politik nach eigenem Bekunden angestrebte sozial nachhaltige Wandel erfordert auch Reformen auf der Einnahmenseite.
Im Moment dreht sich die Steuerdebatte eher um die Zusammensetzung der Steuern als um ihre Höhe. Es geht um klügere, nicht um höhere Steuern. Der springende Punkt besteht darin, von der Besteuerung der Arbeit zur Besteuerung des Ressourcenverbrauchs überzugehen. Die Politik sollte daher die Einführung progressiver Verbrauchsteuern auf ressourcenintensive Güter in Betracht ziehen.
Diese Idee ist nicht neu. Ökonominnen und Ökonomen argumentieren seit langem, dass die Finanzierung von Einkommensteuersenkungen durch höhere Steuern auf Ressourcenverbrauch und Umweltschäden effizienter und gerechter wäre. Derartige Steuern würden das Versagen des Marktes beheben, wenn es darum geht, Umweltverschmutzer für die von ihnen verursachten Kosten für die Gesellschaft zu bestrafen.
Maßgebliche Interessensgruppen haben derartige Vorschläge allerdings jahrzehntelang abgewehrt. Doch nun, da wir die zahlreichen Diskontinuitäten der Pandemie überwinden, sehen wir Ausmaß und Umfang staatlicher Maßnahmen, Geschäftsmodelle und unseren persönlichen Lebensstil in einem grundlegend neuen Licht. Jetzt besteht die echte Chance auf einen Wandel.
Eine effiziente Möglichkeit, die globale Erwärmung einzudämmen, bestünde in der Anhebung des Preises für CO2-Emissionen durch die Einführung einer CO2-Steuer oder die Begrenzung des Angebots an handelbaren Emissionszertifikaten, während man gleichzeitig die langjährigen Subventionen für fossile Brennstoffe auslaufen lässt. Dieses Thema wird im Vorfeld des Uno-Klimagipfels COP26 im November in Glasgow Gegenstand zahlreicher Diskussionen sein.
BLACK FRIDAY SALE: Subscribe for as little as $34.99
Subscribe now to gain access to insights and analyses from the world’s leading thinkers – starting at just $34.99 for your first year.
Subscribe Now
Doch die umfassenderen ökologischen und sozialen Herausforderungen im Rahmen der Agenda vom „besseren Wiederaufbau“ gehen über die Notwendigkeit eines beschleunigten Wechsels von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien hinaus. An dieser Stelle kommen grüne Verbrauchsteuern ins Spiel.
Obwohl die CO2-Bepreisung über die Lieferketten die Preise für ressourcenintensive Güter in die Höhe treiben würde, wären die Auswirkungen auf Produktion, Nutzung und Entsorgung von nichtenergetischen Ressourcen gedämpft und indirekt. Aus Verbrauchersicht sind CO2-Emissionen ein unsichtbarer Feind. Transparenter und verständlicher wären da direkte Verbrauchsteuern, die sich eindeutig auf jene Schäden beziehen, die aufgrund der von Menschen gekauften, genutzten und entsorgten Gütern entstehen.
Die Verknüpfung von Ökosteuern mit dem Gewicht und der Größe von Gütern könnte eine klarere Verbindung zum Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen herstellen und würde dazu beitragen, soziale Normen zu verändern. Menschen, die größere Autos fahren oder in größeren Häusern leben, würden somit mehr bezahlen, wodurch sich kleinere Optionen attraktiver gestalten. Das würde Hersteller ermutigen, für Innovationen zu sorgen, weniger ressourcenintensive Methoden der „Kreislaufwirtschaft” einzusetzen und Leistungen anzubieten, die es Verbrauchern ermöglichen, Dinge gemeinsam zu nutzen, anstatt alles selbst zu besitzen.
Auch das ist keine neue Idee: der Ökonom E.F. Schumacher unterstützte sie bereits 1973 in seinem Buch Small Is Beautiful. Die Rückkehr zum menschlichen Maß. Seitdem hat sich vor allem in Amerika die Liebe zum Imposanten entwickelt. Doch eine Welt, in der jeder Haushalt eine Villa bewohnt und einen zweieinhalb Tonnen schweren SUV besitzt, können und sollten wir natürlich nicht anstreben. Die Erhebung progressiv steigender Steuern auf den Kauf und die Nutzung großer langlebiger Konsumgüter wie Autos und Häuser würde die Verbraucher dazu veranlassen, ein nachhaltigeres Konsumverhalten an den Tag zu legen.
Freilich würden diese höheren Gütersteuern, wie jede Steuererhöhung, auf starken Widerstand stoßen, aber die Begründung dafür wäre klar und - von entscheidender Bedeutung - fair. Der progressive Charakter der Steuern impliziert überdies, dass Haushalte mit höherem Einkommen, die auch mehr große, ressourcenintensive Güter konsumieren, eine überproportional hohe Steuerlast zu tragen hätten.
Einer Schätzung zufolge waren im Jahr 2015 die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung für 52 Prozent der kumulierten CO2-Emissionen verantwortlich, wobei allein 15 Prozent der Emissionen auf die obersten 1 Prozent entfielen. Den Reichen könnte man die hohen Steuern auf ihren Verbrauch von Gütern und Energie als schmackhaftere Option präsentieren als höhere Einkommen- oder Vermögensteuern.
Die Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns haben uns ein Gefühl für die Gefahren des exzessiven Konsums und der übermäßigen Mobilität vermittelt. Obwohl die Menschen einige ihrer neuen erzwungenen Gewohnheiten ablegen werden, sobald die Pandemie vorbei ist, werden viele auch erkennen, dass ihrem Glück und ihrem Wohlbefinden besser gedient ist, wenn sie mit anderen in Kontakt treten und nicht immer mehr Dinge anhäufen.
Ein noch wirkungsvollerer Weg für Regierungen, sich die Unterstützung für neue Verbrauchsteuern zu sichern, wäre ein „Grüner Grand Bargain“ mit der Öffentlichkeit, um die Steuereinnahmen für eine beschleunigte Durchführung der Wiederaufbau-Agenda zu verwenden. Man könnte mit diesen Einnahmen beispielsweise eine Senkung der Steuern auf Arbeit finanzieren, insbesondere für die Geringverdiener. Damit hätte dieses Paket doppelt progressiven Charakter.
Eine andere Möglichkeit wäre eine „CO2-Dividende“. Dabei würden Haushalte ein durch die Einnahmen aus der Ökosteuer finanziertes Pauschaleinkommen erhalten, von dem ärmere Haushalte überproportional profitieren würden.
Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, die neuen Einnahmen für eine Senkung der Steuern auf Dienstleistungen und grüne Produkte herzunehmen oder die Subventionen dafür zu erhöhen. Pandemiebedingte Lockdowns haben lokale Unternehmen und Dienstleistungsbetriebe, insbesondere im Restaurant-, Freizeit- und Hotelgewerbe, schwer in Bedrängnis gebracht.
In ähnlicher Weise könnten Regierungen einen Teil der Steuereinnahmen zur Finanzierung umweltfreundlicher Investitionen verwenden, etwa durch die Unterstützung von Haushalten, die in Elektrofahrzeuge (insbesondere kleine Fahrzeuge) und Hausenergieanlagen investieren. Ebenso könnten die Mittel auch für Investitionen von Unternehmen und Staaten in die notwendige Infrastruktur sowie Forschung und Entwicklung verwendet werden.
Darüber hinaus bleibt die Fiskalpolitik in den führenden Volkswirtschaften der Welt bis auf weiteres expansiv. Das bedeutet, dass grüne Verbrauchsteuern im Laufe mehrerer Jahre schrittweise eingeführt werden könnten, wobei die Möglichkeit besteht, die aufgrund dieser Steuereinnahmen ermöglichten Ausgaben in Form einer Anzahlung auf den Grünen Grand Bargain vorzuziehen.
Dies würde zwar die kurzfristigen Staatsdefizite erhöhen, aber einen nachhaltigeren Aufschwung in Gang setzen. Da sich die Politik mehr denn je auf die Bedürfnisse der Menschen und des Planeten konzentriert, ist nun der geeignete Zeitpunkt für eine ehrgeizigere Agenda zur Ökologisierung des Steuersystems.
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier