malpass6_SIMON MAINAAFP via Getty Images_mangrove sustain BARBARA DEBOUTAFP via Getty Images

Für eine umweltfreundliche Wirtschaftsentwicklung

WASHINGTON, DC – Die biologische Vielfalt der Erde und die Dienstleistungen gesunder Ökosysteme stehen aufgrund des Klimawandels und der Herausforderung, acht Milliarden Menschen auf nachhaltige Weise zu versorgen, unter massivem Druck. Zentrale Ökosystemleistungen - wie Holz aus Wäldern, Bestäuber und Meeresfischerei - müssen erhalten und wertgeschätzt werden, und doch werden sie in hohem Tempo aufgezehrt. Die in diesem Monat in Montreal stattfindende Konferenz der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt (COP15) bietet die Chance, auf der gemeinsamen Vision der Menschheit von einem Leben im Einklang mit der Natur aufzubauen.

Biologische Vielfalt ist ein bedeutendes Ziel in den Programmen der Weltbankgruppe. Um den Verlust an Biodiversität umzukehren, muss die Natur in wirtschaftlichen Entscheidungen berücksichtigt werden. Aus diesem Grund arbeiten wir daran, den Ländern zu helfen, die Natur in ihre Wirtschaftswachstumsmodelle, Entwicklungspläne und Klimaprogramme zu integrieren. Dazu gilt es, politische Strategien umzusetzen, die den wahren wirtschaftlichen Wert der Natur berücksichtigen. Weiterhin sind Institutionen aufzubauen, die den Erhalt der Natur unterstützen, öffentlich-private Partnerschaften zu entwickeln, die dieses Ziel fördern und Finanzierungen aus allen Quellen zu mobilisieren, um Volkswirtschaften und politische Strategien in einer Art und Weise zu verändern, die über isolierte Interventionen hinausgeht.

Der Fischfang ist ein anschauliches Beispiel dafür, warum die Natur für Wachstum und Entwicklung wichtig ist. Weltweit gehen die Fischbestände aufgrund der dreifachen Bedrohung durch Klimawandel, Überfischung und Gewässerverschmutzung zurück. Wenn wir weitermachen wie bisher, könnte die Welt bis zum Ende dieses Jahrhunderts bis zu 25 Prozent ihrer Fangmengen einbüßen. Das sollte uns alle aus mehreren Gründen beunruhigen.

Erstens stehen wir bereits jetzt vor einer der größten Krisen der jüngeren Geschichte im Bereich Ernährungssicherheit. Da Fisch für 3,3 Milliarden Menschen ein wichtiger Bestandteil ihrer Ernährung ist, würde ein geringeres Angebot die Nahrungsmittelkrisen jetzt und in Zukunft verschärfen. Fisch ist reich an Nährstoffen, die für die Entwicklung von Kindern besonders bedeutsam sind, und er ist eine besonders wertvolle Eiweißquelle für die Armen, weil er leichter zu beschaffen und billiger zu konservieren ist als andere Proteinquellen. In Ghana, Mosambik und Sierra Leone entfallen daher 50 Prozent oder mehr der gesamten Aufnahme an tierischem Eiweiß auf Fisch. Darüber hinaus würde sich eine Fischknappheit auf die gesamte Nahrungskette auswirken, denn Fischprodukte sind wichtige Bestandteile anderer Lebensmittel und auch der Futtermittel für die Viehzucht.

Zweitens werden viele Fischende angesichts knapper werdender Bestände oder der klimabedingten Abwanderung der Fische in kältere und tiefere Gewässer gezwungen sein, für ihre Fänge weitere Wege zurückzulegen, ihre Fangmethoden zu ändern oder überhaupt den Beruf zu wechseln. Vielen von ihnen wird diese Anpassung nicht gelingen. Von den weltweit 38 Millionen direkt in der Fischerei beschäftigten Menschen werden die verletzlichsten unter diesen Entwicklungen am meisten leiden. Dazu gehören kleine, vielfach in abgelegenen Gebieten beheimatete Fischereigemeinschaften, die jetzt schon in verhältnismäßig hohem Maße vom Klimawandel betroffen sind. Auch Frauen, die 50 Prozent der Beschäftigten in der gesamten Wertschöpfungskette für aquatische Nahrungsmittel ausmachen, wird es stark treffen. Wer nur über niedrige formale Bildung verfügt, wird es schwer haben, eine alternative Lebensgrundlage zu finden.

Drittens werden die Auswirkungen dieser Bedrohungen mit der Zeit zunehmen. Fischbestände halten sich nicht an internationale Grenzverläufe. Ohne entsprechende Vorschriften und Anreize werden die Flotten auf kurze Sicht weiterhin ihre Fänge maximieren, wobei die großen Volkswirtschaften weit über ihre Hoheitsgewässer hinaus die Bestände übermäßig dezimieren werden. Tun das alle Länder wird sich ein ohnehin schon gravierendes Problem noch weiter verschärfen. Vor fünfzig Jahren wurden nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen etwa 10 Prozent der weltweiten Fischbestände auf biologisch nicht nachhaltigem Niveau befischt. Heute liegt dieser Wert bei 35 Prozent. Zwar werden darunter viele zu leiden haben, doch die größten Verlierer sind die ärmsten Gemeinschaften.

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Angesichts dieser Herausforderungen reichen Naturschutzbemühungen, die lediglich den Verlust an Natur aufhalten, nicht mehr aus. Vielmehr gilt es, diesen Rückgang umzukehren und das bedeutet eine Änderung der Art und Weise, wie wir produzieren und konsumieren.

Ein Ansatz besteht darin, in naturbasierte Lösungen zu investieren, im Rahmen derer die Natur geschützt, gleichzeitig aber die wirtschaftliche Entwicklung gefördert, Lebensgrundlagen geschaffen und den Ländern geholfen wird, den Klimawandel abzumildern und sich an ihn anzupassen. Man denke an die Mangrove, die eine reiche Artenvielfalt beherbergt und als Aufwuchsgebiet für Fische dient. Sie schützt über sechs Millionen Menschen vor jährlichen Überschwemmungen und bindet CO2-Emissionen. Der ökonomische Wert der Mangrove wird auf 550 Milliarden Dollar geschätzt. Ein weiteres Beispiel ist die Algenzucht, die über das Potenzial verfügt, Arbeitsplätze zu schaffen, die Ernährungsunsicherheit zu lindern und CO2 zu absorbieren.

Die Weltbankgruppe engagiert sich an vielen Fronten, um Ländern zu helfen, sowohl den Wert der Natur als auch die Risiken zu erkennen, die sich aus ihrem Verlust ergeben würden. Wir arbeiten häufig über Finanzministerien und stellen Finanzmittel, Wissen, politische Beratung und technische Kapazitäten zur Verfügung, um Partner für naturbasierte Lösungen zu mobilisieren. Mit unserer Unterstützung ermitteln die Länder vielversprechende neue Maßnahmen, die nachgeahmt und ausgeweitet werden können.

Durch die Einbeziehung verschiedener Interessengruppen in die Meeresschutzplanung verringert Vietnam beispielsweise sektorübergreifende Konflikte um die Ressourcennutzung. In China arbeiten wir mit den Stadtverwaltungen von Chongqing und Ningbo zusammen, um die Menge an Plastik zu reduzieren, die über Flussläufe in das Meer gelangt. Dabei knüpfen wir an frühere Projekte an, die dazu beigetragen haben, Chinas Wasseraufbereitungskapazitäten aufzubauen. Durch den Einsatz von Technologien wie Satelliten und Drohnen helfen wir Tansania und anderen Ländern, Echtzeitdaten über die Zerstörung der Küsten und Meere zu erhalten, damit sie etwas dagegen unternehmen können. Und mittels innovativer Finanzierungsinstrumente wie Blue Carbon Credits beabsichtigt Ghana 3.000 Hektar Mangrove wiederherzustellen und mehr private Mittel zu beschaffen.

Wir arbeiten weiterhin an der Ausweitung derartiger Bemühungen. Zu den kurzfristigen Zielen zählen die Aufstockung der Finanzmittel für Projekte in armen Ländern, eine größere Rolle für den Privatsektor und koordinierte Maßnahmen zwischen lokalen Gemeinschaften und nationalen Regierungen. Wenn es allerdings darum geht, den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten, müssen wir und die Weltgemeinschaft unsere Anstrengungen noch weiter intensivieren.

Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier

https://prosyn.org/O61fkCXde