feingold1_Special Envoy for Biodiversity and Water Resources_us national park George Rose/Getty Images

Was die US-Regierung für die Natur tun kann

MIDDLETON, WISCONSIN – Als Sprecher für die Netflix-Serie Our Great National Parksbeschreibt der ehemalige US-Präsident Barack Obama, wie ein Faultier in seinem Fell ein „ganzes Königreich“ trägt: „Es zu erforschen, wird beim Kampf gegen Krebs, Malaria und antibiotikaresistente Superbakterien helfen“, sagt er. „Dieses schläfrige Faultier könnte uns alle retten.“

Diese bemerkenswerten Zeilen verdeutlichen, wie abhängig wir für unser Überleben und Wohlergehen von der Natur sind. Das schläfrige Faultier und zahllose andere Tier- und Pflanzenarten zeigen uns, dass die Krisen des Klimawandels und des Verlusts der Artenvielfalt gemeinsam zu einer existenziellen Bedrohung geworden sind.

Dies bedeutet, dass wir keine Zeit mehr verlieren dürfen. Seit 1970 sind die weltweiten Tier- und Pflanzenbestände um durchschnittlich etwa 69% zurückgegangen. Allein in Nordamerika ist die Zahl der wildlebenden Arten zwischen 1970 und 2018 um 20% gefallen. Und wenn wir jetzt nicht handeln, wird sich dieser Trend fortsetzen. Was wir heute tun, wird bestimmen, ob sich zukünftige Generationen darauf verlassen können, dass ihr Lebenserwerb, ihr Klima, ihre Gesundheit, ihr Wohlstand und ihre Umwelt nicht gefährdet sind.

Allein die Vereinigten Staaten sind Heimat vieler Ökosysteme und einer erstaunlichen Vielfalt wilder Pflanzen und Tiere. Dort gibt es schätzungsweise 200.000 einheimische Arten, was 13% aller Arten weltweit entspricht. Ihre atemberaubenden Landschaften erstrecken sich von dichten Wäldern über gefrorene Tundra bis hin zu tropischen Regenwäldern, darunter 63 geschützte Nationalparks.

Außerdem sind die USA ein globales politisches und wirtschaftliches Schwergewicht. Und als weltgrößtes Geberland können sie die internationale Entwicklungspolitik als entscheidendes Mittel dafür einsetzen, das Weltgeschehen zu beeinflussen.

In diesem Monat richten sich die Augen der Welt auf die entscheidende COP15-Konferenz der Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity, CBD) in Montreal. Die Hoffnung ist, dass diese Gespräche eine ambitionierte Abschlusserklärung zum „Rahmen nach 2020“ hervorbringen, mit dem bis 2030 mindestens 30% des Planeten (30x30) unter Schutz gestellt werden soll. Außerdem ist die COP15 eine ideale Gelegenheit für die USA, ihre erhebliche soft power für die weltweiten Bemühungen einzusetzen, eine „naturpositive“ Zukunft zu schaffen, in der wir den Naturverlust nicht nur aufhalten, sondern sogar rückgängig machen. Obwohl das Land selbst – aufgrund parteipolitischer Spaltungen und des Widerstands verschiedener Interessengruppen – an der CBD nicht beteiligt ist, hat es als weltweites Schwergewicht erhebliche Einflussmöglichkeiten, darunter auch auf die Debatte über die letztliche Sprache des Rahmenwerks.

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Darüber können die USA dazu beitragen, Partnerschaften zu bilden, wichtige Entscheidungsträger zu beeinflussen und neue Anreize für weltweite Schutzbemühungen zu schaffen. Sie können andere Länder dazu bringen, sich zu verpflichten, die dringendsten Schutzziele zu erfüllen. Sie können dazu beitragen, die Finanzierungszusagen zu sichern, die erforderlich sind, um Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu unterstützen, die weltweiten Schutzziele zu erreichen und ihre lokalen Ökosysteme zu sichern. Und sie können den Naturschutz in ihre internationale Entwicklungspolitik integrieren und so helfen, die Kosten des Schutzes der Artenvielfalt in diesen Ländern zu decken.

Obwohl die USA die CBD seit drei Jahrzehnten nicht ratifiziert haben, konnten sie in letzter Zeit zeigen, dass sie immer noch mutige und entscheidende Politik machen. Mit ihrer „America the Beautiful“-Initiative plant die Biden-Regierung, bis 2030 30% der amerikanischen Land- und Wasserflächen unter Schutz zu stellen – entsprechend dem globalen 30x30-Ziel, das auf der COP15 verhandelt wird. Diese Initiative soll nicht nur den Schutz der Artenvielfalt beschleunigen, sondern auch die Rechte lokaler Gemeinschaften, indigener Einwohner und Stammesgesellschaften in den Mittelpunkt der Schutzmaßnahmen stellen.

Dementsprechend hat die Biden-Regierung kürzlich Monica Medina zur ersten Sonderbotschafterin für Artenvielfalt und Wasserressourcen ernannt – womit sie Amerikas Bereitschaft signalisiert, die Klimakrise und den Verlust der Artenvielfalt zu bekämpfen. Unter Medinas Führung sind die USA Anfang des Jahres auch der High Ambition Coalition for Nature and People beigetreten.

Im Jahr 1964 hat das US-Innenministerium den Sonderbericht The Race for Inner Space herausgegeben. Schon damals wurde darin gewarnt, dass die „Naturschutzuhr zu schnell tickt, um zurückgestellt zu werden“. Fast 60 Jahre später tickt sie immer noch. Aber immerhin ist auch die Liebe der Amerikaner zur Schönheit unseres Naturerbes noch lebendig.

Die jüngsten Initiativen der Biden-Regierung könnten die amerikanische Naturschutzbewegung neu definieren und die USA dazu bringen, mit gutem Beispiel voran zu gehen und die Schutzstandards des Kontinents zu bestimmen. Sie können ihre enorme Macht und ihren globalen Einfluss – wirtschaftlich, kulturell und politisch – dazu nutzen, der Welt zu helfen, einen neuen und dringend benötigten politischen Rahmen zur Artenvielfalt zu gestalten. Und auch wenn sie bei anderen Themen gespalten sind, können sie einen innenpolitischen Konsens dafür schaffen, ihr enormes Naturerbe zu schützen und durch Finanzierungszusagen und Aufbauinitiativen die weltweite Naturschutzagenda voran zu bringen.

Dieser Konsens kann gar nicht früh genug kommen. Die Uhr tickt weiter, und daher muss die COP15 als dringender Weckruf betrachtet werden.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

https://prosyn.org/7gNKq7ide