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Warum sinkt die Inflation in den USA?

CAMBRIDGE – In nur einem Jahr ist die Inflation in den USA von einem Höchststand von rund 9 % auf nur noch 3 % gesunken. Standardökonomische Modelle gehen davon aus, dass ein so schneller Inflationsrückgang nur mit einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit möglich wäre. Doch die Arbeitslosenquote blieb über den gesamten Zeitraum konstant und liegt auf dem niedrigsten Stand seit 50 Jahren. Müssen wir Ökonomen unsere Modelle über den Haufen werfen und neu anfangen?

Obwohl keine makroökonomische Theorie perfekt ist und Bescheidenheit immer angebracht ist, zeigt ein genauerer Blick auf die Daten, dass dies eine Überreaktion wäre. Erstens ist die Basis-Inflation nur um etwa einen Prozentpunkt zurückgegangen – viel weniger als der Rückgang der Gesamtinflation um sechs Prozentpunkte. Zweitens geschah dies, während sich die Arbeitsmärkte – im weitesten Sinne – deutlich entspannten, wenn auch auf relativ harmlose Weise, da die Zahl der offenen Stellen zurückging und die Arbeitslosigkeit nicht anstieg.

Die Basis-Inflation ist die Inflationsrate, die herrschen würde, wenn die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt unverändert bliebe. Dieses Konzept ist leichter zu definieren als zu quantifizieren, aber eine Reihe von Indikatoren kann uns helfen, plausible Schätzungen über die Höhe der Inflation zu formulieren. Im Juni 2022, als die Gesamtinflationsrate einen Höchststand von 9 % erreichte, lag die Basis-Inflationsrate nach meiner groben Schätzung bei etwa 4 bis 4,5 %, d. h. ohne eine Abschwächung auf dem Arbeitsmarkt wäre ein Rückgang der Inflationsrate um etwa die Hälfte zu erwarten gewesen. Andere mögen zwar etwas andere Schätzungen abgegeben haben, aber kein glaubwürdiger Ökonom erwartete, dass die Inflationsrate bei 9 % oder darüber bleiben würde.

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