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Warum musste Truss wirklich gehen?

PRINCETON – Der Rücktritt von Liz Truss, der britischen Premierministerin mit der bisher kürzesten Amtszeit, ist der Höhepunkt einer eindrucksvollen Fallstudie darüber, welche Fiskalpolitik man heute vermeiden sollte. Der traumatische Konflikt der britischen Politik, der sich zwischen der Regierung mit ihrem Finanzministerium auf der einen und der britischen Zentralbank auf der anderen Seite abgespielt hat, sollte uns eine Lehre sein. Dies ist aber noch nicht alles: Das tatsächliche Scheitern bestand darin, die massiven Gefahren nicht zu erkennen, die seit langer Zeit in die Struktur des Finanzsystems eingebaut sind.

Die erste, fiskalpolitische Lektion ist so einprägsam, weil sie sich so leicht personalisieren lässt: Truss wird neben Lady Jane Grey in die Geschichtsbücher eingehen – der Königin für neun Tage, die im englischen Religionschaos des sechzehnten Jahrhunderts hingerichtet wurde. Tatsächlich herrscht auch heute im modernen Großbritannien eine Spaltung, die an einen Religionskrieg erinnert.

Der Fehler bestand – zumindest an der Oberfläche – in der Ankündigung der Regierung, nicht gegenfinanzierte Steuersenkungen in Höhe von 45 Milliarden Pfund (50 Milliarden Euro, 2% des BIP) durchzusetzen. Unter anderem sollten der Eingangssteuersatz leicht gesenkt und der Spitzensteuersatz abgeschafft werden. Die Planer dieser Strategie gingen – wahrscheinlich fälschlicherweise – davon aus, dies werde Eigeninitiative, Investitionen und damit Wachstum fördern. Außerdem gab es ein noch teureres Paket zur Subventionierung von Energieverbrauchern, das zum damaligen Zeitpunkt das großzügigste in Europa war und sich auf etwa 200 Milliarden Pfund oder 9% des GDP belief.

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