rogoff234_YASUYOSHI CHIBAAFP via Getty Images_ukrainemines Yasuyoshi Chiba/AFP via Getty Images

Warum die Russlandsanktionen am Ziel vorbeigehen

CAMBRIDGE, MASS.: US-Präsident Joe Biden hat das Lob, das er für seine jüngste Reise in die Ukraine und nach Polen anlässlich des ersten Jahrestages der russischen Invasion erhalten hat, völlig verdient. Bidens zehnstündige Bahnfahrt von der polnischen Grenze nach Kiew – keine Kleinigkeit für einen 80-jährigen – hat die Propagandapläne des russischen Präsidenten Wladimir Putin für diesen Anlass komplett zunichte gemacht. Es war ein großer Tag für die Ukraine, die USA und ihre NATO-Verbündeten.

Bidens bei einer Rede im königlichen Schloss in Warschau aufgestellte Behauptung jedoch, die aktuellen Sanktionen gegenüber Russland wären „das umfassendste in der Geschichte je gegen ein Land verhängte Sanktionsregime“ war zwar zutreffend, aber zugleich irreführend. Die von den USA anderswo – etwa gegen Nordkorea und den Iran – verhängten Sanktionen waren viel schwerwiegender als die aktuellen Sanktionen gegen Russland, weil sie Sekundärsanktionen gegen Drittländer mit umfassten, die weiterhin mit diesen Regimen Handel treiben. Im Falle Russlands fängt dies gerade erst an.

Russland verkauft weiterhin Öl an Indien und China und kauft frisches Obst und Gemüse von israelischen Exporteuren. Zudem erfolgt ein Handel enormen Umfangs mittels sogenannter Umladungen. Zwar sind die europäischen Exporte nach Russland sanktionsbedingt gesunken; zugleich jedoch ist das Handelsvolumen zwischen Russland und Ländern wie der Türkei, Armenien, Kasachstan und Kirgisistan steil gestiegen.

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